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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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verstehen würde.«
    »Du gehörst zu den Leuten, die vermutlich so ungefähr alles verstehen, wenn sie sich damit befassen.«
    »Nettes Kompliment, Raz, aber du weichst dauernd meiner Frage aus.«
    »Gut, ich verstehe, was du meinst. In Wirklichkeit fragst du, ob der Durchschnittsmensch die Funktionsweise eines solchen Geräts verstehen könnte …«
    »Ich weiß nicht, was ein Durchschnittsmensch ist. Aber schau dir Yul an. Er hat seinen Kocher selbst gebaut. Stimmt’s, Yul?«
    Yul war es unangenehm, dass Cord ihn plötzlich zum Gegenstand dieser Unterhaltung gemacht hatte. Er wendete den Blick ab und nickte. »Ja. Hab die Brenner von Plünderern bekommen. Den Rahmen drangeschweißt.«
    »Und es hat funktioniert«, sagte Cord.
    »Ich weiß«, sagte ich und tätschelte mir den Bauch.
    »Nein, ich meine, das System hat funktioniert!«, beharrte Cord.
    »Welches System?«
    Sie war gereizt. »Das … das …«
    »Das Unsystem«, sagte Yul. »Das Nichtvorhandensein eines Systems.«
    »Yul wusste, dass Kocher wie der da unzuverlässig sind!«, erklärte Cord und deutete mit dem Kopf auf das defekte Gerät. »Das hatte er aus Erfahrung gelernt.«
    »Und was für bittere Erfahrung, meine Liebe!«, rief Yul aus.
    »Er stieß auf ein paar Plünderer, die in einer Ruine oben im Norden bessere Brennerköpfe gefunden hatten. Feilschte mit ihnen. Fand einen Weg, die Brenner zusammenzubauen. Bastelt seitdem vermutlich dauernd daran herum.«
    »Hat mich zwei Jahre gekostet, sie richtig zum Laufen zu bringen«, gestand Yul.
    »Und all das wäre mit irgendeiner Technologie, die nur ein Avot verstehen kann, nicht möglich gewesen«, schloss Cord.
    »Gut, gut«, sagte ich und ließ es dabei bewenden. Die Diskussion zu Ende zu führen, wäre verschwendete Atemluft gewesen. Wir, die Theoren, die sich bei der Rekonstitution in die Mathe zurückgezogen hatten (oder, je nachdem, wie sehr man seine eigene Geschichte mochte, dort zusammengepfercht worden waren), hatten die Macht, mittels Praxik die physische Welt zu verändern. Bis zu einem gewissen Grad gefielen normalen Leuten die Veränderungen, die wir bewirkten. Je intelligenter jedoch die Praxik wurde, umso weniger begriffen die Leute sie und umso abhängiger wurden sie von uns – was ihnen überhaupt nicht gefiel.
     
    Cord verbrachte eine Weile damit, Yul zu erzählen, was sie über die Cousins wusste und was seit der Abreise von Saunt Edhar über Samble bis nach Norslof alles geschehen war. Yul nahm es ziemlich gelassen auf, was mich fuchste. Ich hätte ihn am liebsten bei den Schultern gepackt und geschüttelt und ihm irgendwie begreiflich gemacht, dass dies ein Ereignis von kosmischer Bedeutung war: das Wichtigste, was überhaupt je passiert war. Er lauschte jedoch Cords Bericht, als erzählte sie davon, wie sie auf dem Weg zur Arbeit eine Reifenpanne behoben hatte. Vielleicht hatten Wildnisführer die Angewohnheit, eine unnatürliche Ruhe vorzutäuschen, wenn Leute mit unangenehmen Neuigkeiten an sie herantraten.
    Jedenfalls gab es mir Gelegenheit, die Kocherdiskussion auf eine
Weise fortzusetzen, die Cord nicht so verärgern würde. Als die Unterhaltung verebbte, machte ich einen Versuch: »Ich verstehe, warum ihr beide – oder irgendjemand sonst – sich mit einem Kocher wohler fühlt, den er auseinandernehmen und verstehen kann. Das finde ich auch in Ordnung – normalerweise. Die Zeiten sind aber nicht normal. Falls die Cousins sich als feindselig erweisen, wie können wir ihnen entgegentreten? Es sieht nämlich so aus, als kämen sie aus einer Welt, die nichts der Rekonstitution Vergleichbares hatte.«
    »Eine Diktatur der Theoren«, sagte Yul.
    »Es muss keine Diktatur sein! Wenn du sehen könntest, wie die Theoren sich privat verhalten, wüsstest du, dass sie nie so organisiert sein könnten.«
    Cord war in diesem Punkt jedoch einer Meinung mit Yul. »Wenn sie erst einmal so weit sind, dass sie Raumschiffe wie dieses bauen«, sagte sie, »ist es faktisch eine Diktatur. Du hast selbst gesagt, dass es die Ressourcen eines ganzen Planeten aufbrauchen würde. Was glaubst du, wie sie an diese Ressourcen gekommen sind?«
    Da Cord und ich in den meisten Fällen dieselbe Sicht der Dinge hatten und die Kluft zwischen Extra und Avot für uns einfach nicht von Belang war, ärgerte es mich mehr, als ich zu zeigen bereit war, dass sie jetzt so redete. Ich ließ das Thema für eine Weile fallen. Auf diesen endlosen Fahrten war es nicht weiter schwierig, die Unterhaltung für ein oder

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