Anathem: Roman
halten. Die Auseinandersetzung wich einem Fachgespräch über den Anzug, den sie um den Körper des Himmelswarts herumbauten. Einer der Steuerpultbeobachter gab lauthals neue Daten über den Anflug des unidentifizierten Flugobjekts bekannt.
Jesry sagte: »Du bist im Begriff, als allererste Person überhaupt ein Gespräch mit Außerarbrischen zu führen. Wie sieht dein Plan aus?«
Der Himmelswart gab eine kurze, undeutliche Antwort. Er war weiter vom Mikrophon weg, fühlte sich unwohl und hatte bis zu diesem Zeitpunkt genug von Jesry mitbekommen, um zu wissen, dass die Unterhaltung nicht gut ausgehen würde.
Der Spulocorder schwenkte wieder auf den Himmelswart. Sie hatten es geschafft, seinen Körper in das Röhrengebilde zu stecken, und waren jetzt damit beschäftigt, Extremität für Extremität, einen Raumanzug darüberzuziehen.
Aus dem Off hakte Jesry nach: »Woher weißt du, dass die Geometer dieses Konzept überhaupt erkennen?«
Wieder eine gedämpfte, unverbindliche Antwort des Himmelswarts (der, das muss man fairerweise sagen, nicht gut sprechen konnte, weil sie ihm gerade einen Kopfhörer mit Mikrophon aufsetzten).
»Geometer?«, fragte ich.
»So haben die Leute auf der Konvox die Außerarbrischen anscheinend genannt«, sagte Sammann.
»Wenn ich hinginge, würde ich versuchen, eine Checkliste grundlegender Beobachtungen, die ich dann machen wollte, im Kopf zu haben«, fuhr Jesry fort. »Treffen sie zum Beispiel irgendwelche Vorsichtsmaßnahmen gegen Ansteckung? Es würde einiges über sie aussagen, wenn sie Angst vor unseren Keimen hätten – und wenn nicht, ebenfalls.«
Der Himmelswart ging mit einer komischen Bemerkung, die seine Gehilfen witzig fanden, über Jesrys Anregung hinweg.
»Hast du dir je Käfer unter einer Lupe angeschaut?«, machte Jesry einen weiteren Vorstoß. »Das wäre eine gute Vorbereitung auf das hier. Sie sehen so anders aus als alles, was wir sonst kennen, dass du durch ihr Äußeres anfangs leicht in Verwirrung und Erstaunen geraten kannst. Wenn du aber imstande bist, diese emotionale Reaktion zu überwinden, kannst du sehen, wie sie funktionieren. Wie übertragen sie ihr Gewicht auf den Boden? Zähle die Körperöffnungen. Suche nach Symmetrien. Beobachte Periodizitäten. Damit meine ich: Wie oft atmen sie? Daraus können wir auf ihren Stoffwechsel schließen.«
Einer der Gehilfen unterbrach Jesry mit der Bemerkung, es sei jetzt Zeit zu beten. Der Anzug war bis auf den Helm angezogen. Der Kopf des Himmelswarts – nicht zu erkennen unter den Kopfhörern, dem Mikrophon und der Brille, die ihm Daten und Informationen direkt auf die Gläser lieferte – ragte aus einem gewaltigen, steifen Panzer hervor. So gut es ihm durch die unförmigen Handschuhe möglich war, hielten er und seine Gehilfen sich an den Händen. Sie schlossen die Augen und sprachen gemeinsam etwas. Ein lautes Knallen/Knirschen unterbrach sie. »Kontakt«, rief jemand, »wir sind von einem Robotersystem gepackt worden.«
Vorbei an einem Besatzungsmitglied, das gerade auf die Uhr sah, schwenkte der Spulocorder zu dem schmutzigen Fenster zurück, um das unidentifizierte Flugobjekt ins Bild zu bekommen. Es war ein skelettartiges Raumschiff, vollkommen mechanisch, ohne Überdruckkabinen, in denen ein Cousin sich aufhalten könnte: nur ein Rahmen mit einem halben Dutzend Roboterarmen verschiedener Größe und mit Triebwerkdüsen, Scheinwerfern und Parabolantennen, die in alle möglichen Richtungen zeigten. Einer seiner Arme hatte sich ausgestreckt und einen Antennenträger an der Außenseite der Kapsel gepackt.
Danach ging alles schnell. Der Helm war schon über dem Kopf des Himmelswarts zugeklappt worden, und Besatzungsmitglieder scheuchten die Gehilfen aus dem Weg und betätigten die Steuervorrichtung des Anzugs. Durch die Blase konnte man sehen, wie die Augen des Himmelswarts als Reaktion auf unerklärliche Zisch- und Quietschgeräusche aus dem Anzug, dessen System allmählich in Gang kam, unsicher hin und her schnellten. Seine Lippen bewegten sich, und er nickte und gab mit hochgerecktem Daumen Zeichen, während die Kommunikation getestet wurde.
Sie schoben ihn durch eine Druckluke an einem Ende der Kapsel, machten sie hinter ihm zu und drehten an einem Rad, um sie fest zu verschließen. Er befand sich in der Luftschleuse.
»Warum geht er allein?«, fragte ich.
»Vermutlich, weil die Cousins – entschuldige, die Geometer – es so wollten«, antwortete Sammann. »Schickt einen, haben sie
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