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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Verletzungen und Beleidigungen, die sie bereits erlitten hatten. Und den Polizisten würde ein Berg von Papierkram erspart: Papierkram, der zehn Mal so schlimm gewesen wäre wie das Übliche, nur weil viele der Betroffenen Avot waren und als solche einen komplizierten rechtlichen Status hatten.
    Magister Sark war während dieser ganzen anderen Vorgänge nicht untätig gewesen. Der Bus gehörte seiner Kelx in Mahsht und war rundherum mit der Dreiecks-Ikonographie bemalt. Er bot ausreichend Platz für alle Thaler. Ein anderes Mitglied seiner Kelx hatte sich anerboten, sie nach Süden in eine größere Stadt zu fahren, die nicht so chaotisch war wie Mahsht im Augenblick; von dort aus könnten sie die Weiterfahrt nach Tredegarh organisieren. Dieser Fahrer, erklärte er, sei unterwegs, aber wegen der schwierigen Verkehrslage in der Stadt müssten wir vielleicht noch etwas warten.
    Während der Magister diese Dinge erläuterte, ruhte sein Blick auf mir, und aus irgendeinem Grund verspürte ich einen Hauch von Verstimmung. Ich war ihm ungern etwas schuldig und fand die Aussicht wenig reizvoll, während wir darauf warteten, dass der Fahrer kam, voller Dankbarkeit einer weiteren Werbeveranstaltung für seinen Glauben beiwohnen zu müssen. Doch wie es schien, war er mehr daran interessiert zu sehen, wie es mir ging, als eine Unterhaltung anzufangen, und sobald er mich nicht mehr anschaute, schämte ich mich für meine Reaktion. War der Unterschied zwischen
der Kelx-Vorstellung, der zufolge die eigene Geschichte dem Richter erzählt wurde, und dem Thaler-Konzept der Emergenz wirklich so groß? Sie schienen ein sehr ähnliches Verhalten zu bewirken; ich verdankte mein Leben der Tatsache, dass Sark und Osa zuvor in Mahsht einer Meinung gewesen waren.
    Inzwischen war ich auf den Füßen; ich hinkte zu ihm hinüber, reichte ihm die Hand und dankte ihm. Er schüttelte mir fest die Hand und sagte nichts.
    »Der Verurteilte hatte dem Richter heute eine gute Geschichte zu erzählen«, sagte ich. Vermutlich, um ihn bei Laune zu halten.
    Sein Gesicht verdüsterte sich. »Er konnte sie aber nicht erzählen, ohne auch die zu erwähnen, die sich übel aufgeführt haben. Ja, es trifft zu, dass – dem Geist der Unschuldigen sei Dank – etwas Gutes vollbracht wurde. Ich glaube aber kaum, dass das abschließende Urteil des Richters über diese Welt durch das, was er heute von dem Verurteilten gehört hat, wesentlich in die eine oder andere Richtung verschoben wurde.«
    Nicht zum ersten Mal wunderte ich mich über Magister Sarks Fähigkeit, klug und verständig zu sein und dabei prähistorischen Unsinn von sich zu geben. »Was dich selbst betrifft«, betonte ich, »scheint es jedenfalls, als hättest du dich auf eine Weise entschieden, die ein gutes Licht auf dich und deine Welt wirft.«
    »Die Unschuldige hat mich dazu gebracht«, beharrte er. »Ihr gebührt alle Ehre.«
    »Ich möchte dir meinen persönlichen Dank aussprechen«, sagte ich, »und dich bitten, ihn der Unschuldigen zu übermitteln, wenn du das nächste Mal von ihr hörst.«
    Verzweifelt schüttelte er den Kopf, dann gluckste er schließlich; allerdings war er ein so grimmiger Kerl, dass sein Glucksen irgendwo zwischen Würgen und Husten lag. »Du verstehst überhaupt nichts.«
    »Na gut«, sagte ich. »Ich bin jetzt nicht in der Verfassung für einen Dialog, aber vielleicht kann ich ein andermal versuchen, dir zu erklären, wie ich diese Dinge sehe.«
    Seine Reaktion war unverbindlich, aber er verstand, dass die Unterhaltung zu Ende war, und ging fort. Ich besorgte mir aus Yuls Hol ein paar leere Blätter und fing an, Mitteilungen an meine Freunde bei der Konvox hinzukritzeln. Magister Sark wurde in ein langes Gespräch mit Yul und Cord verwickelt, bisweilen unterbrochen von
Ganelial Crade, der, natürlich einem völlig anderen Glauben angehörend, in einiger Entfernung wutschnaubend auf und ab schritt und sich gelegentlich einschaltete, um mit ihnen über irgendeine spezielle deologische Frage zu diskutieren.
    Ein Mobo kam dahergeschaukelt, setzte den Fahrer ab, der die Thaler nach Süden bringen würde, und lud Magister Sark ein. Die Thaler begannen, Plätze im Bus einzunehmen. Fraa Osa stieg als Letzter ein. Ich reichte ihm einen Stapel Zettel. »Für meine Freunde in Tredegarh«, erklärte ich, »falls es dir nichts ausmacht, sie zu überbringen.«
    Er verbeugte sich.
    »Du hast mir schon eine Menge Gefallen getan und kannst auch gerne nein sagen«, fuhr ich fort.
    »Du

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