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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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ist ständig auf Arbre gerichtet«, beschwerte er sich und tippte mit dem Zeh auf die Schubplatte, »sodass wir den Rest des Schiffes nicht sehen können« – er schwenkte den Fuß im Bogen um die vordere Hälfte -, »wo sie die ganzen scharfen Sachen haben. Das geschieht eindeutig mit Absicht – diese Hälfte ist für uns bislang wie die dunkle Seite des Mondes, sodass wir uns vollständig auf Saunt Orolos Phototypie verlassen mussten.« Er machte einen Schritt an die Flanke des Diagramms und zeichnete einen langgestreckten, auf den Bug zielenden Bogen. »Unser Vogel«, sagte er, »nähert sich aus dieser Richtung. Er ist wahnsinnig radioaktiv.«
    »Der Vogel?«
    »Ja, er bezieht seine Energie aus radiothermalen Vorrichtungen. Die Geometer werden das Ding bemerken, das da auf sie zukommt, und es wird ihnen nichts anderes übrig bleiben, als ein Manöver auszuführen …«
    »Um die Schubplatte – die ihr Schutzschild ist – zwischen sich und das Flugobjekt zu stellen«, sagte Jesry.
    »Sie werden das ganze Schiff herumdrehen müssen«, übersetzte ich, »womit die ›scharfen Sachen‹ von den Teleskopen am Boden aus beobachtet werden können.«
    »Und diese Teleskope werden bereit sein.«
    »Ist es überhaupt möglich, so ein Riesending innerhalb einer vernünftigen Zeit zu drehen?«, fragte ich. »Ich versuche mir gerade vorzustellen, wie groß die Feinsteuerraketen sein müssten …«

    Emman zuckte die Achseln. »Eine gute Frage. Schon aus der Beobachtung seines Manövers werden wir viel lernen. Morgen werden wir viele Bilder anzuschauen haben.«
    »Es sei denn, sie werden sauer und greifen uns mit Atomwaffen an«, warf Jesry ein, während ich mir noch überlegte, wie man das zartfühlender formulieren konnte.
    »Darüber ist auch diskutiert worden«, räumte Emman ein.
    »Das will ich auch hoffen!«, sagte ich.
    »Die Zampanos schlafen allesamt in Höhlen und Bunkern.«
    »Das ist ja tröstlich«, sagte Jesry.
    Der Sarkasmus entging Emman. »Und die mathische Welt hat Erfahrung mit der Bewältigung der Folgen eines Atomkrieges.«
    Jesry und ich schauten beide in Richtung Felsen und fragten uns, wie schnell wir wohl wie tief in diese Tunnel hineinkämen.
    »Aber die Wahrscheinlichkeit dafür gilt als äußerst gering«, sagte Emman. »Was auf Ekba passiert ist, war eine ernste Provokation, wenn nicht gar eine offene Kriegshandlung. Wir müssen entsprechend reagieren – den Geometern zeigen, dass wir nicht einfach untätig herumsitzen werden, während sie Eisenstangen auf uns abwerfen.«
    »Wird dieser Vogel das Ikosaeder eigentlich treffen?«, fragte ich.
    »Nur, wenn sie so dämlich sind, ihm den Weg zu versperren. Aber er wird ihnen so nahe kommen, dass sie reagieren müssen, als Vorsichtsmaßnahme.«
    »Tja!«, sagte Jesry, nachdem wir eine ganze Weile damit verbracht hatten, das alles zu verarbeiten. »So viel zum Thema, was man beim Lukub alles erledigen kann.«
    »Ja«, sagte ich, »ich glaube, ich trinke doch einen Schluck Wein.«
    Wir nahmen eine Flasche mit auf den Rasen zwischen dem Edharischen Klostrum und dem der Elften Makroniker. Wir wussten, wo am Himmel wir hinschauen mussten, und so machten wir es uns bequem und warteten, im Gras liegend, auf das Ende der Welt.
    Ala fehlte mir sehr. Eine Zeitlang hatte ich nicht viel an sie gedacht. Aber sie war diejenige, der ich nahe sein wollte, wenn es Atombomben regnete.
    Zur angekündigten Zeit sah man in der Mitte der Konstellation, in der sich, wie wir wussten, das Ikosaeder befand, einen winzigen, flüchtigen Lichtblitz. Als wäre zwischen ihrem Schiff und unserem »Vogel« ein Funke übergesprungen.

    »Sie haben ihn mit irgendwas erwischt«, sagte Emman.
    »Eine Laser- und Teilchenstrahlenwaffe«, intonierte Jesry, als wüsste er tatsächlich, wovon er redete.
    »Ein Röntgenlaser, um genau zu sein«, sagte eine Stimme ganz in der Nähe.
    Wir setzten uns auf und sahen eine stämmige Gestalt in altertümlicher Aufmachung aus Kulle und Kord, die auf müden Beinen auf uns zutrottete.
    »Hallo, Distelkopf!«, rief ich.
    »Lust auf einen Spaziergang, während wir auf die massive Vergeltung warten?«
    »Klar«, sagte ich.
    »Ich gehe ins Bett«, sagte Jesry. Ich vermutete, dass er log. »Kein Lukub heute Nacht.« Er log eindeutig.
    »Dann mache ich das auch«, sagte Emman Beldo, der wusste, wann man ihn loswerden wollte. »Hab morgen eine Menge zu tun.«
    »Wenn es uns dann noch gibt«, sagte Jesry.
     
    »Ich muss mich unbedingt mit Ala in Verbindung

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