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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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unsere eigenen Kommunikationskanäle mit den Geometern einrichten und … unsere eigenen Verhandlungen führen.«
    »Aber das steht in totalem Widerspruch zur Rekonstitution!«
    »Sagt die Rekonstitution vielleicht irgendwas über Außerarbrische? Über mehrfache Kosmen?«
    Ich hielt den Mund, denn ich wusste, wann ich geebnet war.
    »Überhaupt«, fuhr er fort.
    Ich vervollständigte seinen Satz. »Überhaupt ist die Rekonstitution nur noch ein toter Buchstabe, wenn sie die Allestöter aus der Versenkung holen.«
    »Alles wirft schon mit dem Ausdruck postmathisch um sich«, sagte Lio. »Die Leute reden von der Zweiten Wiedergeburt.«
    »Wer macht alles mit?«
    »Eine ganze Menge Servitoren. Nicht so viele Doyns, wenn du mir folgen kannst.«
    »Welche Orden? Welche Mathe?«

    »Also … die Klingenthal-Avot halten die Allestöter für unehrenhaft, wenn dir das hilft.«
    »Wo kommt dieser Lukub zusammen? Es hört sich an, als wäre er riesig.«
    »Es ist eine ganze Gruppe von Lukubs. Ein Netzwerk von Zellen. Wir reden miteinander.«
    »Und was genau machst du, Lio?«
    »Ich halte mich im Hintergrund und mime den Abgebrühten. Und höre zu.«
    »Und worauf achtest du?«
    »Es gibt ein paar Verrückte«, sagte er. »Das heißt, nicht verrückt, sondern zu rational, wenn du verstehst, was ich meine. Kein Bewusstsein für Taktik. Für Diskretion.«
    »Und was sagen diese Leute?«
    »Dass es Zeit wird, dass die klugen Leute das Ruder übernehmen. Zeit, sich die Macht von Leuten wie dem Himmelswart zurückzuholen.«
    »Solches Gerede könnte zu einer Vierten Verheerung führen!«, sagte ich.
    »Manche Leute sind dir weit voraus«, sagte Lio. »Sie sagen: ›Schön. Nur zu. Die Geometer werden auf unserer Seite intervenieren.‹«
    »Das ist einfach nur entsetzlich leichtsinnig«, sagte ich.
    »Genau deshalb höre ich diesen Leuten zu«, sagte Lio, »und erstatte meiner Lukub-Gruppe, die vergleichsweise vernünftig erscheint, darüber Bericht.«
    »Warum sollten die Geometer eingreifen, um einer Verheerung ein Ende zu machen?«
    »Leute, die das glauben, sind in aller Regel waschechte HTW-Typen, wie ich leider sagen muss. Sie haben den adrakhonischen Beweis auf Orolos Phototypie gesehen. Sie nehmen an, dass die Geometer unsere Brüder sind. Dass die Geometer zum ersten Mal in Orithena gelandet sind, bestätigt das nur.«
    »Lio, ich habe eine Frage.«
    »Okay.«
    »Ich habe null Kontakt zu Ala gehabt. Jesry glaubt, das liegt daran, dass sie versucht, sich über ihre Liaisons klar zu werden. Aber das sieht ihr nicht ähnlich. Weiß sie irgendetwas über diese Gruppe?«
    »Sie hat sie ins Leben gerufen«, sagte Lio.

    Spheniker: Eine im alten Ethras stark vertretene Gruppe von Theoren, die dort von wohlhabenden Familien als Lehrer für ihre Kinder beschäftigt wurden. In vielen klassischen Dialogen erlebt man sie in Gegenposition zu Thelenes, Protas oder anderen Angehörigen dieser Schule. Ihr prominentester Vertreter war Uraloabus, der in dem Dialog gleichen Namens von Thelenes so gründlich geebnet wurde, dass er auf der Stelle Selbstmord beging. Die S. bestritten die Auffassungen von Protas und glaubten stattdessen, ganz allgemein gesprochen, dass sich die Theorik ausschließlich zwischen den Ohren, ohne Rückgriff auf äußere Realitäten wie etwa die protischen Formen abspiele. Vorläufer von Saunt Prok, der Syntaktischen Fakultäten und der Prokier.
    DAS WÖRTERBUCH, 4. Auflage, A. R. 3000
    Paphlagons Teller war leer; Lodoghir hatte noch nicht einmal zu seiner Gabel gegriffen. Der Hunger hatte schließlich Erfolg, wo Räuspern, finstere Blicke, entnervte Seufzer und der geschlossene Abgang der Servitoren fehlgeschlagen waren: Lodoghir verstummte, griff nach seinem Glas und schüttete Wasser auf seine glühenden Stimmbänder.
    Paphlagon war unheimlich gelassen – geradezu heiter. »Wenn man sich eine Mitschrift des eben Gehörten ansähe, hätte man einen außergewöhnlichen und ziemlich umfangreichen Katalog sämtlicher rhetorischer Tricks aus dem Arsenal der Spheniker vor sich. Wir haben den blanken Populismus erlebt: ›Kein Mensch glaubt mehr an die HTW‹, ›jeder hält den Protismus für verrückt.‹ Wir haben Berufungen auf Autoritäten erlebt: ›Im neunundzwanzigsten Jahrhundert von keinem Geringeren als Saunt Sowieso widerlegt.‹ Den Versuch, unsere persönliche Unsicherheit auszunützen: ›Wie kann jemand, der halbwegs bei Trost ist, so etwas ernst nehmen?‹ Und viele andere Techniken, deren Namen ich

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