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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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vergessen habe, weil es schon so lange her ist, dass ich die Spheniker studiert habe. Also. Zunächst muss ich der rhetorischen Meisterschaft Beifall zollen, die uns anderen Gelegenheit gegeben hat, dieses ausgezeichnete Essen zu genießen und unsere Stimme ausruhen zu lassen. Aber es wäre
nachlässig von mir, nicht darauf hinzuweisen, dass Fraa Lodoghir noch kein einziges, diese Bezeichnung verdienendes Argument gegen die These vorgebracht hat, dass es eine Hyläische Theorische Welt gibt, dass sie von mathematischen Gebilden – Knoons, wie wir sie nennen – bevölkert wird, die ihrem Wesen nach nicht räumlich und nicht zeitlich sind, und dass unser Verstand eine gewisse Fähigkeit besitzt, auf sie zuzugreifen.«
    »Das könnte ich auch gar nicht!«, rief Fraa Lodoghir aus, dessen Kiefer in den letzten paar Augenblicken in erstaunlichem Tempo gearbeitet hatten, um einen Happen Essen kleinzukriegen. »Ihr Protisten achtet immer sehr darauf, die Diskussion so zu gestalten, dass man mit rationalen Argumenten nichts ausrichten kann. Dass du unrecht hast, kann ich ebenso wenig beweisen, wie ich die Nichtexistenz Gottes beweisen kann!«
    Paphlagon verfügte ebenfalls über Nahkampf-Fähigkeiten; er ignorierte schlicht, was Lodoghir gerade gesagt hatte. »Vor ein paar Wochen haben du und einige von den anderen Prokiern bei einem Plenar die Vermutung in den Raum gestellt, dass das Diagramm des adrakhonischen Theorems auf dem Schiff der Geometer eine Fälschung und in Saunt Orolos Phototypie hineinretuschiert worden sei, und zwar von diesem selbst oder von jemand anderem in Edhar. Ziehst du diese Unterstellung jetzt zurück?« Und Paphlagon blickte über die Schulter auf eine in der vergangenen Nacht vom größten optischen Teleskop auf Arbre mit erstaunlich hoher Auflösung gemachte Phototypie des Schiffes der Geometer, auf der das Diagramm deutlich zu sehen war. Die Wände des Messalans waren mit ähnlichen Bildern bepflastert. Der Tisch war von weiteren übersät.
    »Dass man im Verlauf einer Diskussion Hypothesen äußert, ist völlig normal«, sagte Lodoghir. »Zufälligerweise traf diese eine offensichtlich nicht zu.«
    »Ich glaube, er hat gerade gesagt: ›Ja, ich ziehe diese Unterstellung zurück‹«, sagte Tris in der Küche. Ich war dorthin zurückgegangen, vorgeblich, um meinen Aufgaben nachzugehen, in Wirklichkeit aber, um mich durch Unmengen weiterer Phototypien zu pflügen. Jeder in der Konvox betrachtete sie schon den ganzen Tag, aber wir hatten es noch nicht annähernd satt.
    »Es ist so ein Glück, dass dieser Schachzug funktioniert hat«, sinnierte Emman, während er unverwandt auf die körnige Nahaufnahme einer Strebe starrte.

    »Du meinst, dass wir nicht gestangt worden sind?«, fragte Barb – in vollem Ernst.
    »Nein, dass wir Bilder gekriegt haben«, sagte Emman. »Und zwar dadurch, dass wir hier eine kluge Maßnahme getroffen haben.«
    »Ach – du meinst, es ist politisch gesehen ein Glück?«, fragte Karvall ein wenig unsicher.
    »Ja! Ja!«, rief Emman aus. »Die Konvox ist teuer! Die da oben freuen sich, wenn sie greifbare Ergebnisse erzielt.«
    »Wieso ist sie teuer?«, fragte Tris. »Wir bauen unser Essen selbst an.«
    Emman blickte endlich von seinen Bildern auf. Er musterte Tris’ Gesicht daraufhin, ob sie es tatsächlich ernst meinte.
    Über den Lautsprecher sagte Paphlagon gerade: » Hier gilt der Satz des Adrakhones. Er gilt offensichtlich auch in den vier Kosmen, aus denen die Geometer kommen. Wenn ihr Schiff in irgendeinem anderen Kosmos aufgetaucht wäre, der unserem gliche, aber keine denkenden Wesen beherbergte, würde er dann dort auch gelten?«
    »Erst wenn die Geometer dort ankämen und sagten, dass er gilt«, sagte Lodoghir.
    In der Küche intervenierte ich, bevor Emman mit etwas herausplatzen konnte, wofür er sich vielleicht entschuldigen musste. »Für Leute wie Emman und Ignetha Foral muss es teuer sein, alles im Auge zu behalten«, meinte ich.
    »Natürlich«, sagte Emman, »aber selbst wenn du das außer Acht lässt: Es steckt ungeheuer viel mathischer Aufwand darin. Tausende von Avot, die Tag und Nacht arbeiten. Säkulare mögen keinen vergeblichen Aufwand. Das gilt besonders für Säkulare, die sich mit Management auskennen.«
    Management war ein fluckisches Wort. Auf den Gesichtern in der Küche machte sich Verständnislosigkeit breit. Ich griff ein und übersetzte: »Bloß weil die Zampanos wissen, wie man eine Würstchenbude betreibt, meinen sie, sie wüssten

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