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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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wir«, sagte Moyra.
    »Es gibt nämlich, müsst ihr wissen, einen tief im Denken der Urnuder verwurzelten Argwohn, dass sie sich mit jedem Advent in einer Welt wiederfinden, die idealer – der von euch so genannten Hyläischen Theorischen Welt näher – ist als die letzte. Ich habe jetzt keine Zeit, euch alle Einzelheiten darzulegen, aber ich habe selbst oft gedacht, dass Urnud und Tro wie weniger vollkommene Versionen von Laterre anmuten und dass Fthos uns so vorkam, wie wir Tro vorkamen. Jetzt sind wir abermals in eine neue Welt gekommen,
und beim Sockel herrscht schreckliche Angst, dass die von Arbre Fähigkeiten und Eigenschaften besitzen, die sich ihrer Beherrschung – ja ihrem Verständnis – entziehen. Sie sind übertrieben hellhörig gegenüber allem, was diesen Anschein hat …«
    »Daher das aufwändige Kommandounternehmen, dieser ambitionierte Trick, um mehr über die Inkantoren zu erfahren«, sagte Lodoghir.
    »Und die Rhetoren«, erinnerte ihn Paphlagon.
    Moyra lachte. »Genau die gleiche Politik wie damals bei der Dritten Verheerung! Nur unendlich viel gefährlicher.«
    »Und das Problem, dem ihr – genau wie wir – euch gegenüberseht, ist, dass ihr nichts tun könnt, um sie davon zu überzeugen, dass es so etwas wie Rhetoren und Inkantoren gar nicht gibt«, sagte Jules Verne Durand.
    »Rasch – Atamant und die Kupferschale?«, fragte Lodoghir.
    »Einem Philosophen auf Laterre namens Edmund Husserl und dem Kupferaschenbecher, den er auf seinem Schreibtisch stehen hatte, nachempfunden«, sagte der Laterraner. Wenn ich sein Gesicht richtig deutete, war es ihm ein bisschen peinlich. »Ich habe seine Geschichte ziemlich stark umgedichtet. Dass er den Kratzer habe verschwinden lassen, war natürlich eine List, um euch aus der Deckung zu locken – euch dazu zu bringen, klipp und klar zu sagen, ob jemand auf Arbre die Fähigkeit besitzt, so etwas zu tun.«
    »Meinst du, die List hat funktioniert?«, fragte Ignetha Foral.
    »Die Art und Weise, wie ihr reagiert habt, hat diejenigen, die mich führen, noch misstrauischer gemacht. Ich habe Anweisung erhalten, heute Abend noch eingehender nachzuhaken.«
    »Sie sind also immer noch unschlüssig.«
    »Oh, ich bin ganz sicher, dass sie inzwischen einen Entschluss gefasst haben.«
    Der Boden bebte unter unseren Füßen, und die Luft war plötzlich mit Staub erfüllt. Die darauffolgende Stille wurde von einer Reihe hämmernder Schläge beendet. Sie erfolgten innerhalb einer Spanne von vielleicht fünfzehn Sekunden – insgesamt zwanzig. Lio verkündete: »Kein Grund zur Beunruhigung. Alles verläuft nach Plan. Was ihr hört, sind kontrollierte Sprengungen, die Teile der Außenmauer niederreißen – damit wir genügend Öffnungen haben, durch die wir den Konzent rasch verlassen können, und uns nicht
am Tagestor drängen. Die Evakuierung ist im Gange. Schaut auf eure Marken.«
    Ich zog meine unter einer Falte meiner Kulle hervor. Sie hatte sich aktiviert und zeigte eine farbige Karte meiner Umgebung, genau wie der Navschirm einer Kartabla. Meine Evakuierungsroute war purpurrot hervorgehoben. Darüber gelegt war die cartoonartige Darstellung eines Rucksacks mit einem roten, blinkenden Fragezeichen.
    Die Doyns unternahmen den bedeutenden Schritt, ihre Stühle zurückzuschieben. Sie schauten auf ihre Marken und machten Bemerkungen darüber. Lio schwang sich auf den Tisch und stampfte sehr laut mit dem Fuß auf. Alle blickten zu ihm auf. »Schluss mit dem Gerede«, sagte er.
    »Aber …«, sagte Lodoghir.
    »Kein Wort mehr. Handelt!« Und Lio gab diesen Befehl mit einer Stimme, die ich noch nie von ihm gehört hatte – allerdings hatte ich einmal auf den Straßen von Mahsht etwas Ähnliches gehört. Er hatte seine Stimme ebenso trainiert wie seinen Körper – und Thalkunde-Tricks gelernt, wie man beides als Waffe einsetzte. Ich wich einem Strom von Doyns aus, die in die entgegengesetzte Richtung losmarschierten und dabei ihre Rucksäcke schulterten. Ich betrat den Korridor, in dem meiner auf mich wartete. Ich hievte ihn mir auf eine Schulter und sah erneut auf meine Marke. Der Rucksack-Cartoon war verschwunden. Ich ging weiter in die Küche. Tris und Lio halfen Jules Verne Durand, das, was von seinem Essen übrig war, in Beuteln und Körben zu verstauen.
    Ich verließ Avrachons Dotat auf der Rückseite und geriet mitten in eine Totalevakuierung des altehrwürdigen Konzents von Tredegarh.
    Einige tausend Fuß über uns landeten Luftfahrzeuge auf den Türmen der

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