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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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zu mir und ein paar anderen wussten sie nicht, was uns bevorstand.
    Die purpurrote Linie führte mich schließlich am letzten der geparkten Tromms vorbei. Nur ein Fahrzeug blieb noch, das groß genug war, um eine Zelle von nennenswerter Größe zu befördern: ein mit knalligen Phototypien von begeisterten Glücksspielern bepflasterter Bus. Man hatte ihn wohl von einem Kasino requiriert. Ich konnte nicht glauben, dass er mein Ziel war, aber jedes Mal, wenn ich ihn zu umgehen versuchte, richtete sich die purpurrote Linie gereizt neu aus und befahl mir umzukehren. Also näherte ich mich der Seitentür und schaute die Eingangstreppe hinauf. Am Steuer saß ein Soldat, von seinem Nicknack beleuchtet. »Erasmas von Edhar?«, rief er – offenbar empfing er Signale von meiner Marke.
    »Ja.«
    »Willkommen in Zelle 317«, sagte er und forderte mich mit einem Rucken des Kopfes auf einzusteigen. »Sechs da, fehlen noch
fünf«, murmelte er, während ich an ihm vorbeischlurfte. »Stell deinen Rucksack neben dich auf den Sitz – schnell rein, schnell raus.«
    Der Mittelgang des Busses und die Unterseite der Gepäckablagen waren mit Streifen abgeklebt, die ein trübes Licht auf die Plätze und die darauf Sitzenden warfen. Der Bus war spärlich besetzt. Soldaten, die in ihre Nicknacks sprachen oder anderweitig damit beschäftigt waren, nahmen die ersten paar Reihen ein. Offiziere, dachte ich. Dann, nach ein paar leeren Reihen, sah ich ein Gesicht, das ich erkannte: Sammann, wie üblich von seinem Super-Nicknack beleuchtet. Er blickte auf und erkannte mich, aber ich sah nicht das alte, vertraute Grinsen auf seinem Gesicht. Stattdessen huschte sein Blick einen Moment lang nach hinten.
    In der Düsternis, die sich hinter ihm erstreckte, sah ich mehrere von Rucksäcken mit Beschlag belegte Sitzreihen. Neben jedem war ein in tiefem Nachdenken geneigter, rasierter Schädel zu erkennen.
    Ich blieb so abrupt stehen, dass der Schwung meines Rucksacks mich beinahe umriss. Mein Verstand sagte, Jungejunge, da bist du ja wohl in den falschen Bus eingestiegen, du Idiot!, und meine Beine versuchten, mich hinauszubefördern, ehe der Fahrer die Tür schließen und losfahren konnte.
    Dann fiel mir wieder ein, dass der Fahrer mich namentlich begrüßt und zum Einsteigen aufgefordert hatte.
    Ich warf einen Blick auf Sammann, der eine Art von leidgeprüftem Gesicht aufgesetzt hatte, wie es nur ein Ita wirklich zustande brachte, und die Achseln zuckte.
    Also schwang ich meinen Rucksack auf einen freien Platz und setzte mich daneben. Kurz bevor ich das tat, überflog ich die Gesichter der Thaler. Da war Fraa Osa, der EUG; Suur Vay, die mich mit Angelschnur zusammengeflickt hatte; Suur Esma, die in Mahsht über den Platz getanzt war und den Heckenschützen angegriffen hatte; und Fraa Gratho, der sich zwischen mich und das Gewehr des Anführers der Gheeth gestellt und diesen später entwaffnet hatte.
    Eine Zeitlang saß ich reglos da, fragte mich, wie ich mich auf das, was kam, vorbereiten konnte, und wünschte, es würde endlich losgehen.
    Der Nächste, der einstieg, was Jesry. Er sah, was ich gesehen hatte. Seinem Gesicht meinte ich einige derselben Empfindungen anzusehen, allerdings nicht ganz so ausgeprägt; er war bereits ausgewählt
worden, in den Weltraum zu fliegen, und erwartete wahrscheinlich etwas dergleichen. Als er an mir vorbeikam, knuffte er mich gegen die Schulter. »Schön, bei dir zu sein«, sagte er. »Es gibt niemanden, mit dem ich lieber verdampft würde, mein Fraa.«
    »Dein Wunsch geht in Erfüllung«, sagte ich in Erinnerung an das Gespräch, das wir bei der Apert geführt hatten.

»Mehr davon, als ich mir gewünscht habe«, gab er zurück und ließ sich auf den Platz plumpsen, der mir gegenüber auf der anderen Seite des Mittelgangs lag.
    Ein paar Minuten später schloss sich uns Fraa Jad an, der sich allein hinter die Offiziere setzte. Er nickte mir zu, und ich nickte zurück; doch sobald er es sich bequem gemacht hatte, gingen die Thaler einer nach dem anderen nach vorne, um sich ihm vorzustellen und ihm ihre Aufwartung zu machen.
    Eine junge weibliche Ita kam herein, gefolgt von einem sehr alten männlichen. Sie standen ein paar Minuten lang bei Sammann, und die drei beteten einander Zahlen vor. Ich bildete mir schon ein, wir würden drei Ita in unserer Zelle haben, doch dann verließen die beiden Besucher den Bus, und wir sahen sie nicht wieder.
    Als Fraa Arsibalt eintraf, blieb er vorn beim Fahrer stehen und erwog eine gute

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