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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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wusste, was ich an Neuigkeiten erfahren würde.
    Geschrei erfüllte meine Ohren – übersteuerte die Elektronik. Ich versuchte, mich daran zu erinnern, wie man die Lautstärke herunterdrehte. Es hörte sich nicht nach Horrorshow an, sondern eher nach einem Sportereignis, einem knappen Spiel, das jemand unmittelbar vor dem Schlusspfiff mit einem spektakulär erzielten Punkt gewinnt. Lios Ikon erschien. »Beruhigt euch! Beruhigt euch!«, insistierte er, von dem Verfall der Disziplin entsetzt. Arsibalts Ikon erschien. »Sammann, mach dich bitte bereit, Fraa Jad zu greifen. Er reagiert nicht.« Eine Art unnatürliche Ruhe drückte seine Stimme nieder, aber ich spürte, dass seine Bioanzeigen, würde ich sie überprüfen, eine fast tödliche Erregung widerspiegeln würden.
    Der Ballon wurde rasch größer. Er war allerdings zu hoch – zu weit weg von Arbre -, weshalb ich nach Nordwesten hielt, wodurch ich etwas von meiner Umlaufgeschwindigkeit herausnahm und auf eine niedrigere Höhe ging. Ich sage »ich hielt nach Nordwesten«, als wäre das so einfach, doch nun, da ich am Ende eines zwanzig Fuß langen Greifarms eine Nutzlast hinter mir herzog, waren solche Manöver sehr viel komplizierter; ich musste zuerst einen Bogen beschreiben,
um auf die andere Seite der Nutzlast zu kommen, und dann Schub geben. Das verlangsamte meine Annäherung an den Ballon.
    Sammann sagte: »Ich habe ihn. Er lebt. Seine Bioanzeigen spielen allerdings verrückt.«
    Alle hatten nur darauf geachtet, wie Fraa Jad von Arsibalt abgeschleppt wurde. Doch plötzlich hörte ich nur noch Geschrei. »Vorsicht, Vorsicht!« – »Verdammt noch mal!« – »Das war ganz schön knapp!« – »Schlechte Nachrichten – das war eine rote!«
    Als ich den Kopf verdrehte, sah ich, worauf sie reagiert hatten: Im Abstand von wenigen Ellen hatte eine rote Nutzlast mit hoher relativer Geschwindigkeit den Ballon passiert – so schnell, dass sie Schaden angerichtet hätte, wenn sie nur ein wenig »höher« gewesen wäre. Sie hatte sich ihnen so rasch genähert, dass niemand rechtzeitig reagiert hatte, um sie umzulenken, an den Haken zu nehmen und einzuholen. Sie flog zwischen mir und dem Ballon hindurch, sodass ich sie deutlich zu sehen bekam. »Es ist der Reaktor«, verkündete ich. Dann sagte ich zu meinem Anzug: »Greifarm lösen.«
    »Gelöst«, erwiderte er.
    Ich zündete einen kurzen Brennstoß, um mich von der blauen Nutzlast zu befreien. »Ich bin dran«, verkündete ich. »Hol mal einer diese Nutzlast ein.« Der Reaktor bewegte sich so schnell, dass ich auf Instinkte zurückgriff, die ich beim Videospielen in Elkhazg kultiviert hatte. Ich zündete einen lateralen Brennstoß, der zwar das Problem nicht löste, aber immerhin die Geschwindigkeit verlangsamte, mit der sich der Abstand zwischen mir und dem Reaktor vergrößerte. Ikons verschwanden von meinem Display, während ich außer Reichweite schoss, und der Ton kam in sporadischen, unzusammenhängenden Brocken. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich Arsibalt »Falsche Ebene« sagen hörte, was sich mit dem deckte, was ich selbst dachte: Die Umlaufbahn dieses Reaktors lag auf einer Ebene, die um einen kleinen Winkel von unserer abwich, bloß weil sich im Chaos des Starts irgendein winziger Fehler eingeschlichen hatte.
    Eine Stimme jedenfalls kam klar und deutlich durch: »Dreizehn Minuten bis Sichtverbindung.«
    Ich versuchte ein weiteres Manöver, verpatzte es gründlich und sah mit Gefühlen, die einer Panik nahekamen, zu, wie der Reaktor durch mein Blickfeld sauste. Kurz darauf flitzte Arbre unter mir
durch, und mir ging auf, dass ich mich drehte. Ich musste mit der Hand die Rollkugel gestreift und in Drehung versetzt haben. Ein paar Augenblicke brachte ich damit zu, meine Lage zu stabilisieren, dann drehte ich mich vorsichtig herum, um den Reaktor nicht aus den Augen zu verlieren. Sobald ich das alles unter Kontrolle hatte, schaute ich mich nach dem Ballon um. Er war erschreckend weit weg.
    Als ich mich wieder dem Reaktor zuwandte, konnte ich ihn nicht sehen. Ich hatte ihn im Gleißen des von der Äquatorialsee reflektierten Sonnenlichts verloren. Nachdem ich durch einen kurzen Rückwärtsschub die Höhe reduziert hatte, konnte ich das rote Netzknäuel über dem Horizont auftauchen sehen.
    Niemand anders war in der Nähe. Sie hatten mich sagen hören, dass ich den Reaktor holen würde, und gingen davon aus, dass ich damit klarkam.
    »Beruhige dich«, sagte ich zu mir. Mit Bedacht vorzugehen und es beim

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