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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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mittels der Tastaturen in meinen Ärmelstümpfen Mitteilungen an Cord und an Ala für den Fall, dass ich starb und der Anzug später mit intaktem Speicher geborgen wurde.
    Zur Synvor des Anzugs gehörte auch ein Orbitaltheorik-Rechner, den zu benutzen man in der Hitze des Augenblicks fast nie Zeit hatte, aber ich fuhr ihn hoch und verifizierte mit seiner Hilfe einige meiner Ahnungen im Hinblick darauf, was ich tun musste, wenn ich in Reichweite der anderen kam. Allerdings war es zum Wahnsinnigwerden schwer, sich zu konzentrieren. Inzwischen fühlte sich mein Gehirn an wie alter Schwamm, der mehr Wasser aufgesogen hat, als er halten kann.
    Bei völliger Schwerelosigkeit bestand fast keine Berührung zwischen dem Anzug und dem Träger. Überall um meinen nackten Körper herum zirkulierte Luft mit genau der richtigen Temperatur – es war, als nähme man ein Luftbad. Hinter meinem Rücken befand sich eine kleine Chemiefabrik, die auf vollen Touren lief, die ich aber nur als Quelle eines sanften weißen Rauschens wahrnahm. Abgesehen davon hörte ich nichts als meinen eigenen Herzschlag. Normalerweise hätte ich mich schlicht dadurch in Begeisterung versetzen können, dass ich die Augen aufschlug und durch mein Helmvisier schaute: Ich bin im All! Jetzt aber war alles, was ich sehen konnte, die Rückseite einer knittrigen Decke, als wäre ich ein Stück Geflügel in einer Grillschale. Mich benommen zu fühlen fiel mir also nicht schwer. Nie hatten mein Körper und mein Geist so viele Gründe gehabt, nach Ruhe zu verlangen; angesichts von Jetlag und Ausbildung hatten wir in Elkhazg sehr wenig und in den letzten vierundzwanzig Stunden überhaupt nicht geschlafen. Die vergangene halbe Stunde war absurd anstrengend gewesen – genau die Art von Erlebnis, nach dem jeder vernünftige Mensch nur noch den Wunsch verspürte, unter die Decke eines warmen Bettes zu kriechen und sich in den Schlaf zu weinen.
    Das Einzige, was mich davon abhielt, sofort wegzudämmern, war die Angst vor meiner eigenen Schläfrigkeit. Nach dem Training,
das wir absolviert hatten, kannte ich die Symptome einer Kohlendioxidvergiftung inzwischen besser als das Alphabet. Übelkeit, ja. Schwindelgefühl, ja. Erbrechen, ja. Kopfschmerzen, ja. Aber wer hätte nicht alle diese Symptome gezeigt, wenn ihn ein Mannjifiek eine hundert Meilen hohe Treppe hinaufgestoßen hätte? Was kam als Nächstes? Ach ja – beinahe hätte ich es vergessen – Benommenheit und Verwirrung.
    Ich las die Anzeigen auf meinem Schirm ab. Überprüfte sie erneut. Machte die Augen zu, wartete ab, bis mein Blick wieder klar wurde, und überprüfte sie ein drittes Mal. Sie waren in Ordnung. Der Sauerstoffvorrat stand auf Gelb – was nach all dem Geschnaufe zu erwarten war -, aber der Sauerstoffgehalt der Luft, die ich atmete, war in Ordnung, und der CO 2 -Gehalt war null – der Entferner nahm alles heraus.
    Aber vielleicht las ich ja die Zahlen falsch ab, wenn ich benommen und verwirrt war?
    Ich dämmerte weg, schreckte aber alle paar Minuten auf. Inzwischen war so viel Zeit vergangen, dass ich begonnen hatte, kritisch zu hinterfragen, was unmittelbar nach dem Start passiert war. Ich war so auf das konzentriert gewesen, was ich tat, dass ich, als ich bemerkt hatte, wie Jad mit der blauen Nutzlast kollidierte und daran haften blieb, beschlossen hatte, die Sache nicht zu überprüfen. Das war ein Fehler gewesen. Ich hätte mich darum kümmern müssen. Stattdessen war Arsibalt Jad zu Hilfe geeilt – und nach der Art zu urteilen, wie Jesry nach Arsibalts Rückkehr geschrien hatte, war dieser knapp mit dem Leben – und dem von Jad – davongekommen.
    Das hier war ein schlechter Plan. Wer war auf die Idee gekommen, es so zu machen?
    Ich verstand die zugrunde liegende Logik. Arbre verfügte über zweihundert Raketen. Nicht mehr. Jede war mit Mühe und Not imstande, eine winzige Nutzlast in eine gefährlich niedrige und kurzlebige Umlaufbahn zu befördern. Davon ausgehend, war das, was wir tun konnten, begrenzt. Wir alle hatten den Plan in Elkhazg studiert, uns damit auseinandergesetzt, mit dem Kopf genickt, ihn akzeptiert.
    Aber das war eines. Tatsächlich da oben zu sein, während Nutzlasten chaotisch durch die Gegend sausten, miteinander kollidierten, zusammengeschweißt wurden und man selbst sich unter einer
Decke versteckte – es gab unzählige Möglichkeiten, wie das Ganze hätte schiefgehen können.
    Noch immer schiefgehen konnte. Im Augenblick schiefgehen konnte.
    Wenn ich nun ein

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