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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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abgewickelt hatten. Aber Arsibalt meinte natürlich noch etwas anderes. »Ja«, sagte ich. »Während wir eine Nutzlast nach der anderen aufgerissen haben, habe ich die Augen nach etwas offen gehalten, was als …« Und ich konnte mich gerade noch davor
zurückhalten, in Astrojargon zu verfallen. Ich hatte sagen wollen: »Was als System zum Wiedereintritt in die Atmosphäre und zur Geschwindigkeitsreduzierung dienen könnte«, aber das klang hier ebenso falsch, wie es zwischen den Seitenbäumen falsch geklungen hätte.
    Arsibalt beendete den Satz für mich: »Was als Weg nach unten dienen könnte.«
    »Ja. Und jetzt, wo wir alles ausgepackt und das meiste davon weggeworfen haben – auf das absolut Wesentliche beschränkt sind -, ist klar, dass es hier nichts gibt, was uns nach Arbre zurückbringen kann. Dass es nie etwas gegeben hat.« Ich dachte darüber nach, während ich zusah, wie eine weitere pilzförmige Wolke unter uns dahintrieb, sich rasch auflöste und in der kalten oberen Atmosphäre wie Dämmerung verblasste.
    Arsibalt nahm den Faden auf, den ich fallen gelassen hatte: »Also hast du dir gesagt, dass sie später ein Raumfahrzeug für den Wiedereintritt zu uns hochschicken würden – und in den Raum schießen würden sie es, zum Beispiel, da oder da.« Er zeigte auf die pilzförmige Wolke, über die wir gerade hinweggeflogen waren, dann auf eine zweite, neue, die ein paar tausend Meilen östlich davon erblühte. »Oder dort, wo das Ding da hinfliegt.« Er sprach offensichtlich von einer weiteren Stange, die gerade einen Strich durch die Atmosphäre unter uns zog. Ich weiß nicht, was sie traf. Vielleicht eine Raketenfabrik.
    Arsibalt machte natürlich auf den Umstand aufmerksam, dass wir jetzt allesamt tot waren – nicht mehr zu retten, sofern wir es nicht zur Daban Urnud schafften. Ein bisschen ärgerte es mich, dass er das etwas rascher durchschaut hatte als ich. Und außerdem dachte ich: Na dann auf ein Neues, und machte mich darauf gefasst, die nächsten zehn Stunden über Kabel mit Arsibalt verbunden zu sein, beruhigend auf den am Rande der Hysterie Stehenden einreden und ihn überzeugen zu müssen, Beruhigungsmittel aus dem Vorrat zu schlucken, der vermutlich irgendwo in dem Anzug verstaut war.
    Aber seine Verfassung war eine ganz andere. Er begriff die Wahrheit unserer Lage so klar und deutlich wie überhaupt irgendwer – deutlicher, als ich sie begriffen hatte. Aber er war nicht außer sich. Eher nachdenklich.
    »Als wir evoziert worden sind«, erinnerte ich ihn, »hast du gesagt,
es gebe ein Gerücht, dass wir einfach in eine Gaskammer gesteckt würden.«
    »Stimmt«, sagte er, »aber ich hatte an etwas viel Einfacheres gedacht – etwas Schnelleres – weniger Teures.«
    Ein Witz dieser Art wäre nur ruiniert worden, wenn ich laut losgelacht hätte. Ein wenig wünschte ich, Jesry und Lio hätten ihn mitbekommen. Doch nicht lange danach verebbte unser Gespräch. Arsibalt löste die Verbindung zu mir und begab sich auf eine Runde, als würde er im Refektorium von Tisch zu Tisch gehen.
    Er war mit Jesry verbunden, als dieser Energie auf das Halteseil brachte. Der Vorgang bestand schlicht darin, einen elektrischen Strom durch das Kabel bis ans andere Ende fließen zu lassen. Damit sich ein Stromkreis bildete, mussten die Elektronen natürlich eine Möglichkeit haben, zum Reaktor zurückzufließen. Normalerweise hätte dafür ein zweites, parallel zum ersten verlaufendes Kabel gesorgt – wie bei einer Lampenschnur. Damit jedoch hätte die ganze Übung ihren Sinn verloren. Zum Glück befanden wir uns in der Ionosphäre – der äußersten oberen Atmosphäre, die von der Sonnenstrahlung dauerhaft ionisiert wurde und daher leitfähig war. Wir bekamen den Rückweg umsonst. Strom floss in diesem Kabel nur in eine Richtung. Infolgedessen interagierte es dergestalt mit dem Magnetfeld von Arbre, dass Schub erzeugt wurde. Nicht sehr viel – nicht so viel wie von einem Raketentriebwerk -, aber im Gegensatz zu einem Raketentriebwerk konnten wir ihn tagelang ununterbrochen eingeschaltet lassen und so allmählich auf die gewünschte Umlaufbahn einschwenken: nach aller seither vergangenen Zeit noch immer die Umlaufbahn, auf die Ala und ich die Daban Urnud hatten einschwenken sehen, indem wir im Praesidium einer Funkenspur auf einer Seite gefolgt waren.
    Solange Arsibalt über Kabel mit Jesry verbunden war, fungierte er für den Rest von uns als Kommunikator, bat durch ausladende Armbewegungen um

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