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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Sichtverbindung gebracht.
    Unsere Triebwerke hatten ihre Aufgabe erfüllt, uns in eine neue Flugbahn zu befördern, die uns auf dieselbe Höhe bringen würde wie die Geometer. Wir würden die Triebwerke nie wieder benutzen. Wir befanden uns also wieder im freien Fall. Die Luftbeutel in unseren Anzügen entleerten sich.
    Ich lockerte einige Gurte und drehte mich so weit herum, dass ich die Attrappe sehen konnte. Ihre Triebwerke liefen noch etwa eine Minute, als unternähme sie einen beherzten Versuch, aus ihrer niedrigen Umlaufbahn auf einen Abfangkurs zur Daban Urnud aufzusteigen.
    Dann explodierte sie.
    Das sollte sie auch. Anstatt darauf zu warten, dass der Sockel etwas dagegen unternahm – etwas, was wir nicht voraussagen konnten, etwas, was im Hinblick auf uns unerwünschte Nebenwirkungen haben könnte -, hatten die Planer der Mission die Triebwerke absichtlich so programmiert, dass sich im falschen Moment das falsche Ventil öffnete. Also flog sie auseinander. In punkto Feuer tat sich nicht viel, und natürlich konnten wir den Knall nicht hören. Das Ding verwandelte sich schlicht in ein sich rasch ausdehnendes Durcheinander von tausend Stücken und hörte auf zu existieren. Nur wenige Minuten später sahen wir, wie sich Feuerstriche durch die Atmosphäre unter uns zogen, während Explosionsfragmente in sie einzutreten begannen. Der Sockel, so hofften wir, würde glauben, dass unser erbärmlicher Schachzug wegen eines defekten Raketentriebwerks fehlgeschlagen war – ein nur allzu plausibler Ausgang -, und alle seine Sensoren dazu verwenden, Bilder von dem Schrott aufzunehmen und gierig alle Informationen aufzusaugen, die man bekommen konnte, bevor das Zeug von der Atmosphäre verschlungen und verbrannt wurde. Den Kalten Schwarzen Spiegel würden sie nicht sehen.

    Die nächste Phase der Reise dauerte mehrere Tage. Sie hätte sich von den ersten vierundzwanzig Stunden nicht stärker unterscheiden können. Die Verbindung hoher Bandbreite zum Boden besaßen wir nicht mehr. Angesichts dessen und angesichts des Umstandes, dass wir nicht viel zu tun hatten, ging es ruhig zu.
    Der Brennvorgang, mit dem wir hinter dem Schutz des Ballons hervorgekommen waren, hatte uns gegenüber der Daban Urnud in ein Dilemma gebracht, das ein wenig dem eines Vogels glich, der sich auf Kollisionskurs mit einem Luftfahrzeug befindet. Wir würden die Daban Urnud jetzt ganz sicher erreichen, aber wenn wir nicht als Gefrierfleischklecks an ihrer geröllartigen Oberfläche enden wollten, würden wir abbremsen müssen, ehe wir dagegenknallten.
    Jede andere Raumfahrtmission hätte dies mit einem kurzen Brennstoß des Triebwerks, gefolgt von ein wenig Feinarbeit mit den Feinsteuerraketen erledigt. Aber da wir uns anzuschleichen versuchten, würde das nicht funktionieren. Wir brauchten eine Methode zur Erzeugung von Schub, die nicht mit einem plötzlichen, hell leuchtenden Hervorstoßen weißglühender Gase verbunden war.
    Die Konvox hatte die Lösung in Form eines elektrodynamischen Halteseils gefunden, das nichts weiter war als eine Schnur mit einem Gewicht am Ende, durch die in eine Richtung Strom floss. Die Schnur war etwa fünf Meilen lang. Sie war dünn, aber stark – so ähnlich wie unsere Kords. Um sie gespannt zu halten, mussten wir am Ende ein Gewicht anbringen. Das Gewicht, stellte sich heraus, waren unsere verbrauchten und inzwischen nutzlosen Mannjifieks, verborgen unter einer kleineren und einfacheren Version des Kalten Schwarzen Spiegels. Sobald wir uns also aus dem Schutz des Ballons gelöst hatten, bestand unsere erste Aufgabe darin, die Mannjifieks zu einer kompakten Masse zu verbinden, einen weiteren Spiegel über ihnen in Position zu bringen und sie am Ende des Halteseils zu befestigen. Wir warteten, bis Arbre zwischen uns und der Daban Urnud stand, ehe wir mit dem kitzligsten – an Geisteskrankheit grenzenden – Teil der Operation begannen, der darin bestand, uns selbst in eine Drehbewegung zu versetzen und mithilfe der sich daraus ergebenden Zentrifugalkraft die fünf Meilen Leine ablaufen zu lassen. Das sorgte für einige Minuten Übelkeit und Angst, bis wir und das Gegengewicht sich ein wenig weiter voneinander entfernten. Damit verlangsamte sich die Geschwindigkeit,
mit der wir und das Gegengewicht sich um unseren gemeinsamen Schwerpunkt drehten, sodass Arbre nicht mehr ganz so häufig an uns vorbeizischte. Bis sich das Gegengewicht am Ende der Schnur befand, hatte sich die Rotation so weit verlangsamt, dass wir sie

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