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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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eine Mission von der Art schicken würde, bei der man vielleicht solche Leute brauchte. Aber im Lauf der seither vergangenen Tage hatte ich mich daran gewöhnt – und es hatte mich mit Stolz erfüllt -, auf genau so einer Mission zu sein. Und nun hatten wir ihren kritischsten Moment erreicht, und die Thaler waren plötzlich verschwunden, ohne Erklärung, ja selbst ohne ein »Auf Wiedersehen und viel Glück!«. Die Logik der Entscheidung, die sie getroffen hatten, war unanfechtbar – was konnte wichtiger sein, als den Weltenverbrenner außer Gefecht zu setzen? Aber wo blieben wir anderen?
    »Ist es möglich«, hörte ich mich sagen, »dass wir ein verbrauchter Beförderungsmechanismus sind? Wie diese Starttriebwerke, die uns in den Raum geschleudert haben – und später ins Meer gestürzt sind?«
    »Das ist völlig plausibel«, sagte Jesry, ohne zu zögern. »Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und ein paar schlaue Tricks angewendet, um die vier Thaler hierherzubringen. Diese Arbeit ist erledigt. Und jetzt sind wir hier. Kein Essen, kein Sauerstoff, keine Kommunikationsmöglichkeiten und kein Weg nach Hause.«
    »Ihr überschätzt die Bedeutung des Weltenverbrenners«, verkündete Jad. »Er ist ein Bluff. Seine Existenz zwingt unser Militär, auf eine Weise zu agieren, auf die es sonst nicht agieren würde. Seine Zerstörung würde Arbre ein gewisses Maß an Freiheit zurückgeben. Aber welchen Gebrauch die Säkulare Macht von dieser Freiheit machen würde, bleibt abzuwarten, und was wir tun, kann noch von einiger Bedeutung sein. Wir machen weiter.«
    »Jules?«, sagte Lio. »Wie sieht es aus?«
    »Die Versuchung, sich durch die Öffnung vor uns fallen zu lassen, ist groß, wie?«, sagte Jules. Denn wir hatten dem Weltenverbrenner instinktiv den Rücken zugekehrt, als würde uns das vor dem beschützen, was von dort drohte. Wieder schauten wir durch die
Lücke hinab, sahen Kugel Sechs und Sieben vorbeirotieren und erblickten in dem Spalt zwischen ihnen flüchtig den Kern. »Aber dann sind wir im Licht, wo wir vielleicht gesehen werden. Und der Kugelstapel rotiert mit zu hoher Geschwindigkeit, als dass wir ihn je zu fassen bekämen. Nein. Wir müssen über den Kern hinein. Aber um in den Kern zu gelangen, müssen wir zuerst bei einem Vertex hinein.« Er drehte sich schwankend herum, bis er dem Vertex zugewandt war, der sich, wenn wir auf den Stoßdämpfer schauten, links von uns befand. »Das ist das Observatorium. Ihr habt die Bilder studiert.« Er drehte sich nach rechts. » Das da ist ein militärischer Kommandoposten.«
    »Hat das Observatorium Luftschleusen?«, fragte Arsibalt. Denn wir alle schauten nun nach links – niemand verspürte große Lust, in einen militärischen Kommandoposten einzudringen, nicht, nachdem wir unsere Thaler verloren hatten.
    »Aber ja, du hast eine direkt vor dir«, sagte Jules und begann darauf zuzugehen. Wir schlossen uns ihm an.
    »Äh – habe ich das?«
    »Die Kuppel, die das Teleskop beherbergt, ist als solche eine große Luftschleuse«, erklärte Jules.
    »Sehr sinnvoll«, sagte Jesry. »Um am Teleskop zu arbeiten, wird man die Kuppel mit Luft fluten wollen. Wenn man dann so weit ist, Beobachtungen anzustellen, evakuiert man sie und öffnet sie zum Raum hin.« Normalerweise hätte ich mich an dieser Stelle über Jesry geärgert, weil er uns anderen Vorträge hielt. Diesmal aber ließ mich das kalt. Ich war fasziniert, verblüfft von einer Idee, an die ich eine Woche lang nicht zu denken gewagt hatte: meinen Anzug abzulegen. Imstande zu sein, mein Gesicht zu berühren.
    Arsibalt war auf derselben Spur: »Die Art und Weise, wie ich rieche, wird mir wahrscheinlich lustig erscheinen, wenn ich mich in künftigen Jahren in Erinnerungen daran ergehe.«
    »Ja«, sagte Lio, »wenn sich Gerüche von Kosmos zu Kosmos fortpflanzen können, ist alles, was dochtabwärts von uns liegt, todgeweiht.«
    »Danke für die Vorschau«, sagte Jesry.
    »Wir wollen nichts überstürzen«, schlug ich vor.
    Sammann fragte: »Wird in diesem Observatorium jemand Dienst haben?«
    »Vielleicht ist physisch niemand anwesend«, sagte Jules. »Die Teleskope
werden über unsere Version des Retikulums ferngesteuert. Aber das große wird ganz sicher in Gebrauch sein – und euren schönen Kosmos erfassen, der uns ganz neu ist.«
    Der Vertex ragte riesig vor uns auf, während wir dieses Gespräch führten. Alte Instinkte warnten mich, dass uns eine anstrengende Kletterpartie bevorstand. Aber es war natürlich

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