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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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bewegten, funkelnd vor himmelblau getönten Blitzen. Ranken aus Draht und kunstvoll gebogenem Schlauchmaterial waren über diese Maschinen gewachsen wie Efeu, der einen Felsbrocken erforscht, und mein Auge folgte ihnen bis hin zu Verdichtungen, wo ich zuweilen mit Erstaunen einen Menschen in einem dunklen Arbeitsoverall entdeckte. Manchmal taten diese Menschen etwas als Arbeit Erkennbares, häufiger schienen sie jedoch bloß nachzudenken. Die Maschinen gaben hin und wieder ein Geräusch von sich, aber im Wesentlichen war es still, durchdrungen von einem leisen Summen, das von warmen, nachhallenden Kästen kam, die überall verstreut lagen und von Kabeln, so dick wie mein Knöchel, gespeist wurden oder sie speisten.
    In dem ganzen Raum befanden sich vielleicht ein halbes Dutzend Menschen, aber irgendetwas an ihrer Körperhaltung ließ uns davor zurückschrecken, uns ihnen zu nähern. Einer kam uns mit einem rostigen Karren entgegen, der von wilden Spiralen aus abgefrästem Metall überquoll.
    »Entschuldige«, sagte ich, »ist Cord hier?«
    Der Mann drehte sich um und zeigte mit ausgestreckter Hand auf etwas Dickes und Kompliziertes, das in der Mitte der Halle stand. Darüber wurden die rationale adrakhonische Geometrie des Dachstuhls und die unendlich komplexeren Mannigfaltigkeiten von wirbelndem Nebel durch das zischende blaue Licht elektrischen Feuers vergrößert und zu etwas mehr als Realem gemacht. Wenn ich durch ein Teleskop einen Stern in dieser Farbe sähe, würde ich ihn als blauen Zwerg erkennen und könnte seine Temperatur erraten: weitaus heißer als unsere Sonne, heiß genug, um viel von seiner Energie als ultraviolettes Licht und Röntgenstrahlung auszusenden. Paradoxerweise sah der hausgroße Komplex, der die Quelle der Energie darstellte, orangerot aus, nur an den Kanten leckte ein dünner Rand der tödlichen Strahlung heraus oder sprang von glitschigen Stellen am Boden auf. Als Jesry und ich näher kamen, nahmen wir ihn als gewaltigen Würfel aus rotem Bernstein mit zwei darin gefangenen schwarzen Gestalten wahr: nicht Insekten, sondern Menschen. Die Menschen veränderten von Zeit zu Zeit ihre Position, und dann drehten und wendeten sich ihre Silhouetten.
    Wir sahen, dass diese Maschine in einen Vorhang aus irgendeinem roten geleeartigen Stoff gehüllt worden war, der von einer Schiene
über ihr herabhing. Das blaue Licht konnte geradewegs nach oben schießen und Keime in den Dachsparren töten, sich aber nicht über den Fußboden ausbreiten und Leute blenden. Für Jesry und mich offensichtlich war der Vorhang rot, weil man ihn so konzipiert hatte, dass er nur niederenergetisches Licht – das unsere Augen als rot wahrnahmen – durchließ. Für hochenergetisches Licht – das wir, wenn überhaupt, als blau wahrnahmen – war er so undurchlässig wie eine Stahlplatte.
    Wir gingen um die Einfassung herum, die ungefähr die Größe von zwei kleinen nebeneinandergestellten Schutzmodulen aufwies. Es war schwierig, durch die rote Gelee-Wand hindurch kleinere Details der Maschine auszumachen, aber wie es schien, hatte sie einen plattenförmigen Tisch, so groß, dass zehn Personen darauf hätten schlafen können, der sich wie ein Eisblock auf einem Backblech vorsichtig hin und her bewegte. In seiner Mitte stand ein kleinerer, runder Tisch, der sich rascher, aber regelmäßig drehte und neigte. Über all dem hing an einer gusseisernen Brücke ein gewaltiges Konstrukt, das sich auf und ab bewegte und die Funkenstrecke trug, in der das Licht entstand.
    Ein Arm aus Stahlrohr reckte sich vom höchsten Punkt der Brücke aus nach vorne auf die Plattform zu, auf der die beiden Menschen standen. An seinem Ende hing ein aus Blech zusammengefalteter, deplatziert wirkender Kasten, der von ganz anderer Art war als das in Sand gegossene Eisen. Er war über und über mit leuchtenden Zahlen bedeckt und musste voller syntaktischer Prozessoren sein, die maßen – oder steuerten -, was die Maschine tat. Oder beides; ein echter syntaktischer Prozessor besäße nämlich die Fähigkeit, auf Messungen basierende Entscheidungen zu treffen. Mein erster Gedanke war natürlich, auf dem Absatz kehrtzumachen und den Raum zu verlassen. Jesry dagegen war hingerissen. »Das ist in Ordnung, es ist Apert!«, sagte er und packte mich am Arm, um mich wieder umzudrehen.
    Einer der beiden Menschen drinnen sagte etwas über die x-Achse. Jesry und ich sahen einander verwundert an, nur um sicher zu sein, dass wir so etwas gehört hatten. Es war,

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