Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
vertikal als horizontal, gemahnten sie an Archs, die sich traditionellerweise in die Breite ausdehnten, um alle Kommenden zu empfangen.
    Ich hielt die Tür so lange auf, bis auch die beiden Nachzügler hereingehuscht waren, und schloss sie dann zufrieden – vielleicht sogar selbstgefällig -, weil ich wusste, dass Barb nicht bei uns war. Während der ersten beiden Tage der Apert hatte Quins Sohn fast jede dieser Führungen mitgemacht. Nachdem er sich jedes Wort der Führer gemerkt hatte, hatte er angefangen, durch zahllose Fragen alles lahmzulegen. Dann war er dazu übergegangen, die Fraas und Suurs jedes Mal, wenn sie etwas Falsches sagten, zu korrigieren, und ihre Ausführungen dort, wo sie nicht langatmig genug waren,
weiter auszuschmücken. Ein paar gewiefte Suurs hatten andere Wege gefunden, ihn zu beschäftigen, aber da er sich nicht lange auf etwas konzentrieren konnte, schoss er trotzdem gelegentlich seine Salven ab. Quin und seine Exfrau schienen Barb durchaus bereitwillig die Erlaubnis zu geben, sich jederzeit frei im Konzent zu bewegen, womit sie uns gewissermaßen mitteilten, dass sie ihn gerne zugelassen sähen.
    Die Architekten des Hyläischen Weges hatten einen kleinen Trick angewandt, indem sie seinen stattlich aussehenden Eingang in einen Raum münden ließen, der unerwartet dunkel und eng war – die Andeutung eines Labyrinths, aber nicht annähernd so kompliziert. Die grünlich braunen Schieferplatten, aus denen Wände und Fußböden bestanden, waren in einem Steinbruch abgebaut worden, der wegen seiner Fülle an versteinerten frühen Lebensformen jeden Naturforscher faszinierte. Das alles erläuterte ich der Gruppe, während wir darauf warteten, dass unsere Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten; dann forderte ich sie auf, sich ein paar Minuten lang die Fossilien anzuschauen. Diejenigen, die den Weitblick besessen hatten, eine Lichtquelle mitzubringen, wie die Suvinkinder und manche der pensionierten Burgher, verteilten sich in die Ecken der Kammer. Die Nonne hatte eine Karte dabei, sodass sie genau wusste, wo sie nach den wirklich bizarren Fossilien suchen musste. Ich bewegte mich zwischen den anderen mit einem Korb voll Taschenlampen. Manche nahmen sich eine. Andere verscheuchten mich mit der Hand. Das waren vermutlich antibazische Fundamentalisten, die glaubten, Arbre sei kurz vor der Zeit des Knous auf einen Schlag in seiner jetzigen Form erschaffen worden. Als stillen Protest ignorierten sie diesen Teil der Führung einfach. Ein paar andere trugen Ohrstöpsel und lauschten aufgezeichneten Führungen auf Nicknacks. Die Dards starrten mich bloß an, ohne irgendwie zu reagieren. Mir fiel auf, dass einer von ihnen einen Arm in der Schlinge trug. Ich brauchte ein Weilchen, um diese Information einzuordnen. Dann kam ich zu dem offensichtlichen Schluss, dass es sich hierbei um die Gruppe handelte, die Lio und Arsibalt angegriffen hatte. Ich fühlte mich hilflos in meiner offiziellen Wicklung – die, bei der die Kulle mir mühelos übers Gesicht gezogen werden konnte – und wünschte, ich hätte besser darauf geachtet, wie Lio in der letzten Zeit seine Kulle getragen hatte.
    Während ich mich rückwärts von ihnen entfernte, verkündete ich:
»Diese Kammer stellt zweierlei dar. Zum einen ist sie eine Ausstellung alter Fossilien – zum größten Teil bizarr und witzig aussehende, die sich nicht zu uns heute bekannten Wesen weiterentwickelt haben. Sackgassen der Evolution. Gleichzeitig ist sie ein Symbol der Gedankenwelt, wie sie vor Knous existierte. In jenem Zeitalter gab es einen Zoo verschiedener gedanklicher Wege, von denen uns die meisten heute verrückt vorkämen. Auch sie waren Sackgassen der Evolution. Außer bei primitiven Stämmen an abgelegenen Orten sind sie ausgestorben.« Mit diesen Worten führte ich sie um mehrere Biegungen zu einem viel größeren und helleren Raum. »Sie sind ausgestorben«, fuhr ich fort, »weil diesem Mann etwas Bestimmtes zustieß, als er vor siebentausend Jahren an einem Flussufer entlangspazierte.« Damit trat ich in die Rotunde, wobei ich meinen Schritt beschleunigte, um die Gruppe hinter mir herzuziehen.
    Jetzt folgte eine lange Pause, um diesen Moment nicht zu verderben. Die Skulptur in der Mitte war über sechstausend Jahre alt; fast genauso lang war sie schon ein weltberühmtes Meisterwerk. Wie sie ihren Weg auf diesen Kontinent und in diese Rotunde gefunden hatte, war in sich eine lange, spannende Geschichte. Aus weißem Marmor gefertigt, besaß sie

Weitere Kostenlose Bücher