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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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ein Gespenst aussehen ließ. Der untere Teil befand sich in wilder Bewegung, während er mit den Armen ruderte, um das Ding loszuwerden. Sein Kopf war ein feststehender Knopf obendrauf – und damit eine gute Zielscheibe für den Ballen von Lios Fuß, der in einem perfekt ausgeführten fliegenden Kick ins Schwarze traf.
    Ich rannte in ihre Richtung los.
    86 ging rückwärts zu Boden. Durch seinen eigenen Schwung wurde Lio ebenfalls dorthin getragen. Er benutzte den Rumpf von 86, um seine Landung abzufedern, und nachdem er geschickt zur Seite weggerollt war, hielt er sich geduckt wie eine Spinne und riss seine Kulle los. 79 kam von oben angeflogen. Lio brachte sich mit einer Drehung aus der Angriffslinie und wand 79 dabei die Kulle um die Knie. Dann stand er auf, 79’s Knie im Schlepptau; 79’s Gesicht sauste zu Boden, und da er nicht schnell genug die Arme nach oben – Entschuldigung, nach unten – streckte, konnte er nicht verhindern, dass er eine Ladung Grasnarbe in den Mund bekam. Für einen kurzen Augenblick, nachdem Lio seine Kulle in einer Spirale losgerissen hatte, verharrte 79 kopfüber mit gespreizten Beinen. Lio rammte ihm geistesabwesend den Ellbogen in das Vau, als er sich umdrehte, um zu sehen, wer als Nächster an der Reihe war.
    Antwort: Nummer 23, der geradewegs auf ihn zugerannt kam.
Lio drehte sich um und lief weg. Aber nicht besonders schnell. 23 holte auf. Das Schicksal wollte, dass er auf die Kulle trat, die Lio hinter sich her übers Gras schleppte. Das verdarb ihm den Gang, der ohnehin schwerfällig gewesen war. Lio spürte das – kein Wunder, schließlich war das andere Ende dieser Kulle um seine Leistengegend gebunden. Er wirbelte herum und zog kräftig. Irgendwie blieb 23 auf den Beinen, allerdings um den Preis, dass er am Ende, in der Hüfte vornübergebeugt, mit dem Kopf voraus ins Stolpern geriet. Lio stellte ihm ein Bein, legte eine Hand auf den Hinterkopf von 23 und nutzte den Schwung des anderen, um ihn über sein Knie zu schwingen. 23 wusste nicht, wie er fallen sollte. Er kam hart auf der Schulter auf und schwenkte um sie herum zu einer schmerzhaften Landung auf dem Rücken. Ich wusste, was danach kam: Lio würde einen »Todesstreich« gegen die ungeschützte Kehle folgen lassen. Und genau das tat er; aber er schlug verhalten zu, wie er es immer bei mir getan hatte, und verzichtete darauf, die Luftröhre des Mannes einzudrücken.
    Einer war übrig. Und damit meine ich »Einer«, denn er hatte eine große Nummer 1 auf dem Rücken. Das war der Mann mit dem Arm in der Schlinge. Mit seinem gesunden Arm hatte er gerade die Taschen des gefallenen 86 durchwühlt und gefunden, was er gesucht hatte. Als er aufstand, hielt er etwas in der Hand, was mir sehr nach einer Pistole aussah. Seine Wirbelsäulenklammer explodierte zu einem Licht, das abwechselnd rot und blau blinkte. Er stieß einen weit verbreiteten Fluch aus. Dann ließ er die Waffe fallen und brach zusammen. Alle Muskeln in seinem Körper hatten, durch Signale von der Klammer gelähmt, im selben Moment ihre Spannkraft verloren. Alle vier Angreifer lagen jetzt auf dem Boden, und auf der Wiese war es still, sah man von dem klagenden Getriller ihrer Nicknacks ab.
    Eine einzige Person, die offenbar in der Nähe stand, fing an zu klatschen. Ich hielt sie für einen Dard, der zu viel getrunken hatte. Doch als ich den Kopf zu der Geräuschquelle umwandte, erblickte ich mit Erstaunen eine Gestalt in Kulle und Kapuze. Er rief ununterbrochen ein altes orthisches Wort, das so viel bedeutet wie: »Bravo! Hurra! Gut gemacht!«
    Während ich mich an diesen Fraa heranpirschte, rief ich: »Ich hoffe, du bist stockbesoffen, denn falls nicht, bist du ein Idiot. Er hätte getötet werden können. Und selbst wenn du wirklich so ein
Riesenhornochse bist – weißt du nicht, dass hier ein Inquisitorenpaar herumschleicht?«
    »Schon gut, einer von beiden ist herausgeschlichen, um von dieser blödsinnigen Ansprache wegzukommen«, sagte der Fraa.
    Und zog seine Kapuze zurück, um sich als Varax von der Inquisition zu erkennen zu geben.
    Ich habe keine Ahnung, wie mein Gesicht aussah, aber ich kann sagen, dass sein Anblick das Unterhaltsamste war, was Varax seit langem gesehen hatte. Er versuchte, es sich nicht allzu sehr anmerken zu lassen. »Es erstaunt mich immer wieder, was die Leute von uns und dem Grund unserer Besuche denken«, sagte er. »Bitte vergiss das hier. Es ist nichts.« Er sah hinauf zur Spitze des Mynsters. »Es stehen größere Dinge

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