Anatomie einer Affäre: Roman
Gedanken spielten, schwimmen zu gehen, sagte sie: »Ach, ich war heute Morgen schon drin.« Denn ganz gleich, wie viel Mühe sie das alles kostete (und zwar beträchtliche, wie ich vermute) – anmerken ließ sie es sich nie.
Also waren es nur wir vier, Conor und ich, Seán und Aileen, die am Strand mit BH-Trägern und Badetüchern Houdini spielten und anschließend so taten, als beachteten wir die Körper der anderen gar nicht. Um ehrlich zu sein, gab ich mich an jenem Tag mit Seán kaum ab. Ich war zu sehr damit beschäftigt, seine Frau unter die Lupe zu nehmen; so einfallslos sie sich kleidete, so elegant und knabenhaft wirkte sie splitternackt, sie mochte noch so alt sein. Aber ihre seltsamen kleinen Brüste riefen einem »Brüste« entgegen – auf ihren kleinen knochigen Rippen sahen sie so zart aus, als wären sie eigens dort angepflanzt worden.
Seán wandte mir sein Gesicht frontal zu, wie um zu fragen, ob ich etwa ein Problem mit dem Körper seiner Frau hätte. Aber ich hatte kein Problem damit, wie sollte ich? Ich hatte genügend eigene Probleme. Zunächst einmal musste ich dafür sorgen, dass Conor vor mir stehen blieb, bis die anderen beiden in sicherer Entfernung im Wasser waren und in die andere Richtung blickten.
»Was ist?«, fragte Conor. »Was willst du denn?«
Und ich klammerte mich an ihn, faselte Unsinn und hampelte mit dem Badetuch herum.
Seán schlang die Arme um sich und rannte mit hochgezogenen Schultern und federnden Fußspitzen der Brandung entgegen. Aileen bedachte das Meer mit einem kühlen Blick, zupfte ihren Badeanzug am Po zurecht und ging langsam ins Wasser. Da warf sich Evie im letzten Moment in den Sand, packte das Bein ihrer Mutter und umschlang unter schrecklichem Flehen ihren Schenkel.
»Evie, bitte lass das.«
Währenddessen sah meine Schwester sich mit unbestimmten Blicken um und sagte laut: »Megan, was hast du mit Evie angestellt?«
Und schweigend entfernte ich mich von ihnen und lief weiter, bis das Wasser meine Oberschenkel bedeckte.
Dann schrie ich auf.
»Uuuuh! Eisig!«
Aber es entzog meinen Knochen alle Unsicherheit: das verblüffende Gefühl, die Füße heben zu können und festzustellen, dass man keinen Sand mehr brauchte. Durch die scharfe Dünung der Wellen bewegte ich mich auf die flache Linie des Horizonts zu. Als ich mich, vom Gewicht des Wassers geschoben und liebkost, schließlich wieder dem Ufer zuwandte, war ich glücklich.
Aileen ging bereits aus dem Wasser. Vom Meer aus sah ich, wie sie sich den Strand hinaufkämpfte, um sich um Evie zu kümmern, und ich erkannte, dass ihr dünner Körper nicht etwa fit war, sondern nur rührig. Man sah es an ihren gekrümmten Schultern: dass sie sich zwar schnell fortbewegen konnte, aber kein Vergnügen daran fand.
Conor, dessen Surfboard auf dem Autodach zurückgeblieben war, würde noch weitere zwanzig Minuten im Wasser beiben. Unterdessen hatte sich Shay rücklings auf die limettengrüne getupfte Decke fallen lassen und bot seinen Bauch dem Himmel dar. Blieb nur noch Seán und Seáns lustloses Verlangen – denn wir alle wollten von ihm begehrt werden. Jedenfalls glaube ich, dass wir das wollten, so wie wir uns, die Körper jäh entflammt vom kalten Meer, um seinen Sitzplatz drapierten (sagt man nicht so?). Da waren wir also: Fiona, fast eine Art Traumgestalt, seine Frau, die nicht von Bedeutung war, und ich, die ich – zumindest für diese wenigen Augenblicke – das lebhafte Mädchen abgab, so wie ich das kurze Gefälle des Strands heraufkam, mich nach meinem Badetuch bückte und mit einem »Jippie!« die Haare zurückschleuderte. Ich war das Mädchen, das Spaß hatte. Die Dicke.
Ich war der Albtraum.
Jedenfalls fühlte ich mich wie ein Albtraum. Es muss daran gelegen haben, wie er mich ansah.
Dieses winzige Drama spielte sich ab und verebbte gleich wieder, fast wie auf Vereinbarung, und wir saßen auf einem versauten Flickenteppich aus Badetüchern, als ob wir es gewohnt wären, so zu tun, als seien wir alle vollständig bekleidet. Wir unterhielten uns über das Jahr, in dem wir begriffen hatten, dass man mehr als nur einen Badeanzug besitzen konnte. In meinem Fall war es eben dieses fragliche Jahr; dank übermäßigem Eheglück hatte ich eine Größe zulegen müssen, war im Geschäft völlig ausgerastet und hatte gleich zwei gekauft. »Einen hat man an, der andere trocknet an der Leine.«
Seán erzählte, dass er am Strand von Courtown die marineblaue Unterhose seines Vaters tragen musste und es
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