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Anatomie

Anatomie

Titel: Anatomie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bass jefferson
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kommt schon hin. Es gibt zwar noch einen Benzinmotor mit mehr PS, einen 10-Liter V-10-Motor, aber der hat einen beschissenen Benzinverbrauch. Der hier hat sowieso mehr Drehmoment. Schleppt in dieser Version zehn Tonnen. Abgesehen davon ist ein Cummins einfach unschlagbar. Muss erst nach über fünfhunderttausend Kilometern überholt werden.«
    Ein weiteres Rohr mit einer Kappe aus Maschendraht und Chrom führte von irgendwo auf meiner Seite des Motorraums nach oben. »Was ist das Ding da? Sieht aus wie ein Rauchabzug.«
    »Schnorchel«, sagte Waylon. »Mit dem können Sie einen ein Meter achtzig tiefen Wasserlauf durchfahren. Hilft natürlich, wenn Sie ein bisschen Gewicht im Kofferraum haben, besonders bei Strömung. Das ist ein Teufels-Truck, aber sobald er anfängt zu schwimmen, geht das Fahrverhalten zum Teufel. Man will dann natürlich auch nicht die Fenster runtergekurbelt haben.«
    Als er unter der Interstate durchdonnerte und landeinwärts fuhr, wandte Waylon sich mir halb zu. »Doc, ich habe auf dem Rückweg von der Höhle noch eine kleine finanzielle Angelegenheit zu regeln, und dafür müsste ich auf dem Weg rauf kurz halten. Falls Ihnen das nichts ausmacht.«
    Die Formulierung gab mir zu denken. In Virginia, wo ich aufgewachsen war, war »es macht mir nichts aus« eine höfliche Formulierung für »lieber nicht« oder sogar, bei entsprechend eisiger Modulation, »nein, zum Teufel«. Mir war jedoch aufgefallen, dass es im Osten von Tennessee – zumindest in den Bergen – genau das Gegenteil zu bedeuten schien. Ich war mir nicht sicher, was für finanzielle Transaktionen Waylon an einem Sonntag durchführen konnte, aber ich sagte ihm, es mache mir nichts aus.
    Wir fuhren ein paar Meilen auf der Straße am Fluss nach Norden, dann bog er links auf eine unbezeichnete gepflasterte Straße, die in einem bewaldeten Tal verschwand. Mitten auf einer kleinen, mit Maschendraht eingezäunten Lichtung stand dicht am Straßenrand ein kleines, gewöhnliches Backsteinhaus; in der Einfahrt parkte ein Wagen des Cooke County Sheriffs. Ich zeigte darauf. »Hier wohnt Tom Kitchings?«
    »Nein«, brummte Waylon. »Sein verdammter Bruder Orbin. Der erbärmlichste Hurensohn in ganz Cooke County.« Er öffnete den Mund, als wollte er noch etwas hinzufügen, schloss ihn dann jedoch wieder.
    Vierhundert Meter die Straße hinauf bogen wir links auf einen breiten, frisch gekiesten Streifen, der den Berg hinauf zur Mündung eines kleinen Tals führte. »Gleich da oben ist unser erster Halt«, sagte Waylon. Wir hatten kaum das Straßenpflaster verlassen, da hielt er auch schon an einer kleinen Bude, in deren Glastür eine blonde Frau Mitte dreißig erschien. In enger Designerjeans und kurzer Wildlederjacke hätte sie gut als modebewusste Mutti aus einem der westlichen Vororte von Knoxville durchgehen können, die plötzlich vom Fußballspiel ihres Kindes oder aus dem Einkaufszentrum hier raus in die Wildnis gebeamt worden war. Waylon kurbelte sein Fenster herunter und reichte ihr eine laminierte Karte. Sie scannte sie mit einem tragbaren Barcode-Lesegerät, gab sie ihm zurück und winkte uns weiter. Hightech, allerdings! Als sie sich umdrehte, um in die Bude zurückzugehen, wies Waylon mit einer Kopfbewegung auf ihren stramm verpackten Hintern. »Das allein ist die Reise doch schon wert, oder, Doc?« Ich wollte es nicht zugeben, aber die Aussicht war umwerfend.
    Der Schotterweg weitete sich bald zu einem großen Parkplatz, vierzig oder fünfzig Meter breit und mindestens so lang wie ein Footballfeld, in die Senke hineinplaniert. Der Platz war voll, drei ordentliche Reihen diagonal parkender Pkws und Kleinlaster. Als wir auf der Suche nach einem freien Stellplatz eine Spur hinunterfuhren, hörte ich bei hundertfünfzig Fahrzeugen auf zu zählen, größtenteils Pick-ups mit Nummernschildern aus Tennessee, North Carolina, South Carolina, Georgia, Alabama, Florida und Kentucky, ja sogar von so weit weg wie Oklahoma und Texas. Das Einzige, was mir dazu einfiel, war, dass hier wohl im großen Stil Autos versteigert wurden – ein ähnliches Auktionszentrum lag an der Interstate 75 zwischen Knoxville und Chattanooga –, obwohl es mir ein Rätsel war, warum dieses hier so weit abgelegen war.
    Am oberen Ende des Platzes befand sich ein blechverkleidetes Gebäude von der Größe einer Scheune, umgeben von einem Dutzend kleinerer Gartenschuppen, ramponierter Wohnwagen und einem neuen zweistöckigen Gebäude, das an ein kleines, fensterloses

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