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Anatomien

Anatomien

Titel: Anatomien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Aldersey-Williams
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Vorteile, weil die meisten Spieler daran gewöhnt sind, gegen Rechtshänder zu spielen.
    Unterschwellig wird aber weiter Druck ausgeübt. Fast alle einhändig auszuführenden Handlungen sind auf Rechtshänder zugeschnitten, von der Bedienung von Reißverschlüssen bis zu den Geldautomaten. Ein Besuch bei Anything Left-Handed, dem Fachgeschäft für Linkshänder, das früher im Londoner Stadtteil Soho zu finden war und heute eine Internetplattform betreibt, führt jedem das Ausmaß des Ungleichgewichts vor Augen. Das Geschäft bietet in seinem rückwärts nummerierten Katalog neben Scheren und Dosenöffnern auch Füller und vieles andere an. Bei vielen Produkten ist gar nicht so offensichtlich, dass sie auf Linkshänder zugeschnitten sind, zum Beispiel bei von rechts nach links beschrifteten Linealen und Maßbändern, gegen den Uhrzeigersinn zu bedienenden Korkenziehern und auf der rechten Seite gezahnten Messern. Bei Anything Left-Handed gibt es auch CDs mit Musik von Linkshändern – ob man den Unterschied hört, weiß ich nicht. Leider gibt es keine Aufnahme von Ravels faszinierendem Klavierkonzert für die linke Hand. Ravel schrieb das Werk für Paul Wittgenstein, den Bruder des Philosophen Ludwig Wittgenstein. Paul verlor im Ersten Weltkrieg den rechten Arm. Als er das fertige Werk jedoch noch überarbeitete, kam es zwischen den beiden zum Bruch. Andere linkshändige Pianisten sehnen sich nach einer umgedrehten Klaviertastatur, bei der die tiefen Noten rechts liegen und die Linke endlich einmal die Melodie spielen darf. Wo wir schon vom Klavier sprechen: Auch die Größe einer Hand kann eine Komposition beeinflussen. Rachmaninow konnte anderthalb Oktaven greifen, und einige seiner Stücke liegen schlicht außerhalb der Reichweite kleingewachsener Pianisten.
    Die in viele Produkte eingebaute Diskriminierung ist nicht nur unbequem. 1989 fand der Psychologe Stanley Coren bei einer an der University of British Columbia durchgeführten Untersuchung heraus, dass Linkshänder fast doppelt so viele Autounfälle verschulden und anderthalb mal so viele Unfälle mit Werkzeugen haben wie Rechtshänder. Das liege nicht etwa an einer angeborenen Ungeschicklichkeit, sondern an vielen nicht auf sie zugeschnittenen Designelementen. Die Lebenserwartung von Linkshändern liege daher schätzungsweise um acht Monate niedriger.
    Nicht nur unsere Hände sind asymmetrisch. Unser Rumpf ist es auch. Das Herz schlägt links, die Leber sitzt rechts. Der Magen sitzt links. Der linke Lungenflügel besitzt zwei Lungenlappen, der rechte drei. Auch äußerlich gibt es – unauffällige – Unterschiede. Unsere Haare fallen nach einer Seite. Die linke Brust ist meist etwas größer als die rechte. Der linke Hoden hängt tiefer als der rechte, der wiederum normalerweise nicht schwerer ist. Warum das so ist, weißman nicht, allerdings ist die Tatsache seit Langem bekannt, wie die meisten antiken Statuen bezeugen.
    Erstaunlich ist, dass es im Körper überhaupt eine Symmetrie gibt. Je weiter sich ein Embryo entwickelt, desto asymmetrischer wird er. Das befruchtete Ei ist kugelsymmetrisch, und mit jeder weiteren Zelle nimmt die Symmetrie ab. Da wir, wie alle anderen Organismen auch, der Schwerkraft unterworfen sind, spiegelt sich kaum etwas an der Querachse unseres Körpers. Und auch vorn und hinten stehen nicht symmetrisch zueinander. Damit bleiben nur rechts und links, wohl weil die äußeren Einflüsse hier minimal sind. Nur manchmal wirkt etwas, das sich nur auf einer Seite ausbildet, der sauberen Doppelseitigkeit entgegen. Um zu verstehen, was dabei passiert, schauen wir uns nun die Entwicklung des Embryos etwas genauer an.
    Symmetrie geht beim Embryo recht schnell verloren, sobald die „Primitivstreifen“ genannte Zellgruppe entsteht, die für die Entstehung der Längsachse zuständig ist. Beim Wachstum verteilen sich neue Zellen auf beide Seiten, wobei es ein kleines Geheimnis bleibt, warum sich die Zellen spiegelbildlich anordnen, obwohl die genetischen Anweisungen für die beiden Hälften identisch sind und sich die Zellen auch sonst völlig gleichen. Möglicherweise gewinnen die Zellen Positionsinformationen aus Variationen in verschiedenen Wellen von Zellaktivität, etwa so wie ein Autofahrer ein Navigationssystem benutzt. Aber dann bleibt unklar, warum es zu Asymmetrien zwischen rechts und links kommt.
    Einen wichtigen Hinweis entdeckte 1848 der junge Louis Pasteur, der feststellte, dass es von bestimmten Molekülen eine rechtshändige

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