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Anbetung

Anbetung

Titel: Anbetung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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Shamus gern zu, in seiner Sendung und auch sonst. Er hat eine Stimme, mit der verglichen Barry White und James Earl Jones wie Marktschreier mit Halsentzündung klingen. Die Leute vom Radio nennen ihn die »Samtstimme«.
    Von ein Uhr bis sechs Uhr morgens legt Shamus täglich außer Sonntag »die Musik, die den großen Krieg gewonnen hat«, auf und erzählt Geschichten vom Nachtleben dieser lang vergangenen Zeit.
    In den anderen neunzehn Stunden des Tages bringt KPMC statt Musik diverse Radio-Talkshows. Am liebsten würde die Geschäftsführung in den fünf Stunden mit den wenigsten Hörern einfach abschalten, aber laut seiner Rundfunklizenz ist der Sender verpflichtet, die Stadt täglich rund um die Uhr zu beschallen.
    Diese Situation gibt Shamus die Freiheit, alles zu tun, was er will, und das besteht darin, gemeinsam mit seinen schlaflosen Hörern in den Glanz der Bigband-Ära einzutauchen. In jenen Tagen, sagt er, sei die Musik noch echt und das Leben mehr auf Wahrheit, Vernunft und guten Willen gegründet gewesen als heute.
    Als ich diesen Spruch zum ersten Mal hörte, fragte ich Shamus verwundert, wieso er sich derart zu einer Zeit hingezogen
fühle, in der ganz offiziell Rassentrennung geherrscht habe. »Ich bin schwarz, blind, gefährlich intelligent und außerdem auch noch sensibel«, gab er zur Antwort. »Keine Zeit wäre leicht für mich. Wenigstens war die Kultur damals noch kultiviert, sie hatte Stil .«
    Nun forderte er seine Zuhörer auf: »Schließen Sie die Augen, stellen Sie sich den Duke in seinem berühmten weißen Smoking vor, und steigen Sie mit mir, Shamus Cocobolo, in den A Train nach Harlem.«
    Seine Mutter hat ihm den Namen Shamus gegeben, das hübsche alte Wort für »Detektiv«, weil sie sich wünschte, er werde einmal zur Kriminalpolizei gehen. Als er im Alter von drei Jahren erblindete, war eine Karriere als Gesetzeshüter keine Alternative mehr. Das »Cocobolo« kommt von seinem Vater, direkt aus Jamaika.
    Endlich nahm er die schwarze Plastikkarte, hielt sie zwischen Daumen und Zeigefinger am oberen und unteren Rand und fragte: »Hat irgendeine unsagbar dämliche Bank dir etwa eine Kreditkarte ausgestellt?«
    »Ich hab gehofft, du kannst mir sagen, was draufsteht.«
    Er fuhr mit dem Finger über die Karte, ohne sie zu lesen, nur um herauszufinden, worum es sich handelte. »Hör mal, Zauberer, du meinst doch hoffentlich nicht, ich soll meditieren, wo ich schon Count Basie und Satchmo und Artie Shaw habe.«
    »Also weißt du, was das für eine Karte ist.«
    »In den letzten paar Jahren hat man mir etwa ein Dutzend solche Dinger geschenkt, alle mit verschiedenen anregenden Gedanken, als könnten Blinde zwar nicht tanzen, aber dafür umso besser meditieren. Nichts für ungut, Zauberer, aber du bist eigentlich viel zu cool, um mir so ein pseudospirituelles Plastikdingsbums zu verehren. Ich schäme mich ein wenig für dich.«

    »Das darfst du gern tun. Aber ich schenke dir die Karte gar nicht. Ich bin bloß neugierig, was da in Brailleschrift steht.«
    »Da bin ich ja erleichtert. Aber wieso bist du neugierig?«
    »Ich bin so zur Welt gekommen.«
    »Schon kapiert. Geht mich ja auch tatsächlich nichts an.« Er fuhr mit den Fingerspitzen über die Karte und sagte: »Vater der Lüge.«
    »Was soll das denn heißen?«
    Die Redewendung war mir zwar vertraut, aber aus irgendeinem Grund wusste ich nicht, woher, vielleicht weil ich mich dagegen sträubte.
    »Der Teufel«, sagte Shamus. »Der Vater der Lüge und Vater des Bösen, Seine Satanische Majestät. Was ist denn da im Busch, Zauberer? Findest du die gute, alte Religion inzwischen zu langweilig und brauchst einen Hauch Schwefel, um deine Seele wachzukitzeln?«
    »Die Karte gehört doch nicht mir.«
    »Wem dann?«
    »Eine Schwester im Krankenhaus hat mir gesagt, ich soll mich ins Auto setzen, aufs Gas treten, in die Wüste rasen und das Ding aus dem Fenster schmeißen, damit der Wind es davontragen kann.«
    »Für einen netten jungen Burschen, der mit der Bratpfanne ehrlich seinen Lebensunterhalt verdient, hängst du mir aber mit allerhand ernsthaft durchgeknallten Leuten ab.«
    Er schob mir die Karte wieder zu.
    Ich stand auf.
    »Lass deine Höllenkarte bloß nicht hier«, sagte er.
    »Hast du vorher nicht gesagt, es sei bloß ein pseudospirituelles Plastikdingsbums?«
    Aus den dunkelblauen Gläsern seiner Brille betrachtete mich mein doppeltes Spiegelbild.

    »Ich hab mal einen praktizierenden Satanisten gekannt«, sagte Shamus. »Der Typ hat

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