Anbetung
locken.«
Ich fragte mich, welche Schwesternschule sie wohl besucht hatte.
»Ich werde es in den Müll werfen«, versprach ich.
Es sah aus, als wären die Sommersprossen auf ihrem Gesicht heller geworden; nun brannten sie wie verstreuter Cayennepfeffer. »Werfen Sie es bloß nicht hier weg!«, sagte sie.
»Okay«, sagte ich, »tu ich schon nicht.«
»Nirgendwo im Krankenhaus. Fahren Sie raus in die Wüste, wo niemand in der Nähe ist, fahren Sie schnell, und werfen Sie es aus dem Fenster, damit der Wind es davontragen kann.«
»Gute Idee.«
Ihre Hände waren desinfiziert und wieder trocken. Zusammen mit dem alkoholischen Gel hatte sich auch ihre finstere Miene verflüchtigt. Sie lächelte. »Hoffentlich habe ich Ihnen etwas helfen können.«
»Sie waren sogar eine große Hilfe.«
Ich nahm die Meditationskarte mit mir aus dem Krankenhaus in die schwindende Nacht, aber nicht, um damit in die Wüste zu fahren.
43
Das Studio von Radio KPMC – der »Stimme des Maravilla Valley« – ist in der Main Street im Herzen von Pico Mundo. Untergebracht ist es in einem dreistöckigen Backsteinhaus im nüchternen georgianischen Stil, flankiert von zwei viktorianischen Bauten mit der Anwaltskanzlei Knacker & Hisscus und einer Bäckerei.
Jetzt, in der letzten Stunde der Dunkelheit, brannte in der Backstube bereits Licht. Als ich aus dem Wagen stieg, roch es auf der Straße nach frisch gebackenem Brot, Zimtbrötchen und Zitronenstrudel.
Keinerlei Bodachs in Sicht.
In den unteren beiden Etagen befinden sich die Büros des Senders. Die Senderäume sind im zweiten Stock.
Als Toningenieur war Stan »Spanky« Lufmunder im Dienst. Harry Beamis, dem es gelang, im Mediengeschäft auch ohne Spitznamen zu überleben, fungierte als Sendeleiter von »Durch die Nacht mit Shamus Cocobolo«.
Durch das dreifach isolierte Fenster zwischen dem Flur und dem elektronischen Stützpunkt der beiden schnitt ich ihnen Grimassen.
Nachdem sie mir mit Handgesten mitgeteilt hatten, ich solle mit mir selbst kopulieren, hoben sie den Daumen, und ich ging weiter den Flur entlang, bis ich zur Tür der Moderatorenkabine kam.
Aus dem Flurlautsprecher drang leise »String of Pearls«, ein Titel des unsterblichen Glenn Miller, den Shamus gerade auf den Plattenteller gelegt hatte.
Eigentlich kam die Musik von einer CD, aber in seiner Sendung benutzt Shamus den Jargon der 1930er- und 1940er-Jahre.
Von Harry Beamis war er offenbar schon vorgewarnt worden, denn als ich die Kabine betrat, nahm er sofort den Kopfhörer ab, drehte die laufende Musik gerade so weit auf, dass er sie verfolgen konnte, und sagte: »He, Zauberer, willkommen in meinem Pico Mundo.«
Für Shamus bin ich der Zauberer von Odd, kurz Zauberer.
»Wieso riechst du denn heute nicht nach Pfirsichshampoo?«, fuhr er fort.
»Das einzige Zeug, das ich zur Verfügung hatte, war unparfümiert. «
Shamus runzelte die Stirn. »Es ist doch hoffentlich nicht vorbei zwischen dir und der jungen Göttin, oder?«
»Es hat gerade erst angefangen«, beruhigte ich ihn.
»Schön zu hören.«
Der Noppenschaumstoff der Wände machte unsere Stimmen weich und frei von scharfen Kanten.
Shamus trug eine dunkle Brille mit Gläsern, die so blau waren wie dickwandige Buntglasflaschen. Seine Haut war so dunkel, dass sie ebenfalls einen bläulichen Schimmer zu haben schien.
Ich streckte die Hand aus und legte ihm die Meditationskarte vor die Nase. Dabei ließ ich sie auf den Tisch knallen, um ihn neugierig zu machen.
Er gab sich cool und griff nicht gleich danach. »Übrigens, nach der Sendung komme ich rüber in den Grill«, sagte er. »Hab mal wieder Lust auf eine infarktfördernde Portion Schinken mit Zwiebelstiften und Brötchen mit Soße.«
Während ich rund um den Mikrofontisch ging, mich auf den Stuhl gegenüber Shamus setzte und das zweite Mikrofon auf seinem flexiblen Arm beiseite schob, sagte ich: »Heute Morgen stehe ich nicht am Herd. Hab den Tag über frei.«
»Und was machst du an deinem freien Tag – treibst du dich draußen im Reifencenter rum?«
»Ich hab mir gedacht, ich gehe vielleicht mal bowlen.«
»Du bist ja ein echt wildes Partytier, Zauberer. Ich weiß gar nicht, wie deine Lady damit zurechtkommen soll.«
Die Glenn-Miller-Melodie ging zu Ende. Shamus beugte sich zum Mikrofon und ließ ein paar improvisierte Sprüche von der Zunge tanzen, um zwei Titel hintereinander anzukündigen: Benny Goodmans »One O’Clock Jump« und Duke Ellingtons »Take the A Train«.
Ich höre
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