Anbetung
dich.«
»Das tut sie nicht. Sie wird hier bleiben. Einerseits wird sie ihren Job nicht aufs Spiel setzen wollen, und andererseits will sie bestimmt keine Angst zeigen, das würde sie nämlich schwach aussehen lassen, und heutzutage wollen Frauen nicht mehr schwächer aussehen als Männer. Vielleicht bittet sie später jemanden, sie zu ihrem Wagen zu begleiten, aber das ist alles.«
Stormy starrte auf die Blonde hinter der Theke, während ich den Raum nach irgendwelchen Bodachs absuchte, die womöglich vor dem Henker eingetroffen waren. Niemand da außer uns Menschen.
»Sie ist so hübsch, so voller Leben«, sagte Stormy. »So viel Persönlichkeit, so ein ansteckendes Lachen.«
»Sie kommt dir nur lebendiger vor, weil du weißt, dass sie womöglich jung sterben muss.«
»Ich finde es bloß falsch, einfach abzuhauen und sie hier zu lassen, ohne sie zu warnen, ohne ihr auch nur eine Chance zu geben.«
»Die beste Strategie, ihr eine Chance zu geben, gilt für alle potenziellen Opfer: Ich muss Robertson aufhalten, bevor er etwas Schlimmes anrichten kann.«
»Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass du ihn aufhältst?«
»Größer, als wenn er heute Morgen nicht in den Grill gekommen wäre und ich ihn nie mit seinem Gefolge aus Bodachs zu Gesicht bekommen hätte.«
»Aber du kannst dich nicht darauf verlassen, dass du ihn aufhältst. «
»Verlassen kann man sich in dieser Welt auf nichts.«
Sie sah mir prüfend in die Augen, als dächte sie über meine Worte nach, dann sagte sie wie zur Erinnerung: »Außer auf uns beide.«
»Außer auf uns beide.« Ich schob meinen Stuhl zurück. »Gehen wir.«
Stormy starrte noch immer auf die blonde Frau. »Es ist so schwer«, sagte sie.
»Ich weiß.«
»So unfair.«
»Welcher Tod ist das nicht?«
Sie stand auf. »Du wirst sie nicht sterben lassen, nicht wahr, Oddie?«
»Ich tue, was ich kann.«
Wir gingen hinaus und hofften, über alle Berge zu sein, bevor der versprochene Cop eintraf und sich Gedanken über meine Verstrickung in die Sache machte.
Kein Mitarbeiter der Polizei von Pico Mundo versteht meine Beziehung zu Chief Porter. Alle spüren, dass etwas an mir anders ist, aber sie haben keine Ahnung, was ich sehe, was ich weiß. Der Chief schützt mein Geheimnis gut.
Manche meinen, ich würde um Wyatt Porter herumscharwenzeln, weil ich selbst gern ein Cop wäre. Sie nehmen an, ich würde nach dem glanzvollen Leben als Polizist lechzen, hätte aber nicht genug Grips oder Mumm für den Job.
Die meisten glauben allerdings, ich sehe den Chief als Vaterfigur, weil mein eigentlicher Vater so ein hoffnungsloser Fall ist. In dieser Ansicht liegt eine gewisse Wahrheit.
Sie sind davon überzeugt, der Chief habe Mitleid mit mir gehabt, als ich im Alter von sechzehn Jahren nicht mehr bei meinem Vater oder meiner Mutter leben konnte und unvermittelt auf der Straße stand. Wyatt und Karla können keine eigenen Kinder bekommen, und deshalb meinen die Leute, der Chief empfinde eine väterliche Zuneigung zu mir und betrachte mich als eine Art Ersatzsohn. Es ist mir ein großer Trost, dass das wohl wirklich so ist.
Da sie Cops sind, spüren die Mitarbeiter der Polizei von Pico Mundo jedoch instinktiv, dass ihnen entscheidende Informationen fehlen, um unsere Beziehung ganz verstehen zu können. Obwohl ich unkompliziert und vielleicht sogar einfältig aussehe, betrachten sie mich als ein Rätsel, zu dessen Lösung ihnen mehr als nur ein einziger Hinweis fehlt.
Als Stormy und ich gegen zehn Uhr aus dem Bowlingcenter traten, war es schon seit einer Stunde dunkel, aber die Temperatur in Pico Mundo betrug immer noch über achtunddreißig Grad. Bis Mitternacht würde die Luft eventuell minimal abkühlen.
Falls Bob Robertson vorhatte, die Hölle auf Erden zu schaffen, dann hatte er das passende Wetter dafür.
Offenbar dachte Stormy auf dem Weg zu Terri Stambaughs Mustang immer noch über die dem Tod geweihte blonde Barfrau nach, jedenfalls sagte sie: »Manchmal verstehe ich nicht, wie du mit all den Dingen, die du siehst, leben kannst.«
»Einstellungssache«, sagte ich.
»Einstellungssache? Wie funktioniert das?«
»An manchen Tagen besser als an anderen.«
Sie hätte sicherlich auf weiteren Erklärungen bestanden, aber da kam auch schon der Streifenwagen und erfasste uns mit den Scheinwerfern, bevor wir den Mustang erreicht hatten. Da ich mir sicher war, erkannt worden zu sein, wartete ich Hand in Hand mit Stormy, bis der Wagen neben uns bremste.
Der eingetroffene
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