Ancient Blades 2 -Das Grab der Elfen
der menschlichen Bevölkerung. Zwerge fanden die Begründung schlichtweg empörend, das war Croy durchaus bekannt. Aber Zwerge brauchten meist keinen besonderen Anlass, um sich über die Menschheit zu empören.
Während Croy dastand und hinaufstarrte, gewann das Licht in der Kugel plötzlich noch weiter an Kraft, und er musste keuchend den Blick abwenden. Hätte er nur noch einen Moment länger hingesehen, wären ihm bestimmt die Augen aus dem Kopf gesengt worden. Er blinzelte fleckige grüne und purpurne Nachbilder weg und spähte in den Teich am Schachtgrund.
Und hielt vor Überraschung die Luft an. Im Wasser schwamm eine nackte Frau, deren Glieder mit lässigen Bewegungen die Oberfläche teilten. Ihre Haut war so bleich wie Elfenbein, und sie erschien ihm zu schlank, um menschlich zu sein. Ihre zarte Gestalt erinnerte jedoch nicht an Auszehrung und Hunger, sondern an erhabene Schönheit. Mangelnde Ernährung war nicht der Grund für ihre Schlankheit. Er hatte Menschenfrauen gesehen, die zu lange nichts zu essen gehabt hatten, und sie hatten kadaverhaft und hässlich gewirkt. Diese Frau sah aus, als sei sie geboren, um weidenschlank zu sein. Selbst ihre Knochen schienen schlanker zu sein als die eines Menschen. Im Wasser hatte ihr dunkles Haar Auftrieb erhalten und floss hinter ihr her.
Wie verzaubert stand der Ritter da und sah zu, wie sie sich mit Armstößen einen Weg durch das Nass bahnte. Vielleicht hätte er sich nie wieder dort wegbewegt und nur geschaut – hätte Mörget ihn nicht an der Schulter gepackt und herumgezogen.
»Bruder – komm schnell! Solche Wunder müssen warten.«
»Aber …« Croy schüttelte sich, um sich aus seiner Erstarrung zu befreien. Der Anblick der schwimmenden Frau hatte ihn verzaubert. »Was ist mit dir? Wie siehst du denn aus?«
Der Barbar war kreidebleich, selbst unter der roten Farbe, die die untere Hälfte seines Gesichtes bedeckte. Die Augen traten ihm aus den Höhlen, als hätte er einen Geist gesehen. »Begleite mich einfach«, sagte er. »Und halt dein Schwert bereit.«
Er führte Croy zurück zur Hofmitte und hinter einen der Marmorbauten. Gemeinsam spähten sie um eine Säule aus zyklopischen Steinen herum. »Sieh nur!«, flüsterte Mörget und deutete auf die langen Schatten zwischen den Gebäuden.
Zuerst konnte Croy nichts erkennen. Seine Augen hatten sich an das Licht der künstlichen Sonne des Vinculariums gewöhnt, und durch den Kontrast waren die Schatten zu tief. Dann sah er zwei Gestalten aus dem rötlichen Licht treten. Sie trugen Bronzerüstungen und waren genauso dürr wie die Frau, die er im Teich hatte schwimmen sehen. Wiedergänger, war sein erster Gedanke. Hatten sie ihn und den Barbaren den ganzen Weg von der obersten Ebene bis hierher verfolgt? Nun, er konnte sie noch immer bekämpfen und …
Seine Hand hielt inne, bevor er das Schwert aus der Scheide ziehen konnte. Zwischen den beiden Wiedergängern bewegte sich … etwas anderes. Eine Kreatur von unbestimmter Gestalt, die fünf Fuß durchmaß. Gesichter mit aufgerissenen Mündern drückten sich von innen gegen ihre Haut.
»Ein weiterer Dämon?«, fragte Croy. »Der kleine Bruder deiner Bestie – oder vielleicht ihr Kind?« Was auch immer es sein mochte, dem Ritter lief es kalt über den Rücken. Wenn es mehr als ein solches Monster gab oder sich der Dämon – noch schlimmer – irgendwie vermehrte, dann war die Bedrohung um vieles größer als vermutet. Er war der Ansicht gewesen, dass ein Dämon in solcher Nähe zu Skrae möglicherweise ein Ungeheuer war, das die Welt vernichten würde, wenn man es nicht aufhielt. Aber falls es mehr als die beiden gab, falls der Dämon seit Jahrhunderten hier unten lebte und sich vermehrte, ein Heer aus seinesgleichen geschaffen hatte – wie sollten selbst die Ancient Blades dem Unheil standhalten? Wie sollten sie es je besiegen?
Das konnte das Ende der Welt bedeuten.
Mörget, der seine Befürchtungen hätte teilen sollen – auch der Barbar war ein Ancient Blade, genau wie Croy verschworen, den Vorstoß der Dämonen in Schach zu halten –, schien sich nur um sein eigenes Schicksal zu kümmern. Er raste vor Zorn, und Croy ging davon aus, dass er jeden Augenblick losbrüllen würde. Als er jedoch das Wort ergriff, sprach er im kühlen Tonfall eines Mannes, der eine zu erledigende Arbeit einschätzte. »Ich weiß nur eins – mein Werk hier ist noch nicht getan.«
TEIL VIER
DIE SCHATTEN WERDEN LÄNGER
Zwischenspiel
Während die rote Sonne des
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