Ancient Blades 3: Der Thron der Barbaren
vorsichtig
wie möglich um den Leichenberg herum. Das Tier schnaubte, und als es den Geruch
des Todes wahrnahm, scheute es. Aber der Ritter klopfte ihm auf den Hals, und
es beruhigte sich wieder.
»Natürlich wird man Euch mit Ehren überschütten«, fuhr
Bethane fort. »Eure Farben werden neben den meinen vom höchsten Turm hängen,
und jeder Ritter auf dem Feld an diesem Tag wird sich davor verneigen â in
dem Wissen, dass er sich niemals mit Euren Verdiensten messen kann, welche
Siege er auch erringen mag.«
Croy hatte einmal auf einem Turnier gekämpft. Er hatte
sich im Zweikampf mit Lanze und Speer geübt, hatte mit Holzschwertern an
gestellten Getümmeln teilgenommen. Wie ein Kind, das Krieg spielt. Er hatte
vonseiten der Lords und ihrer Damen groÃe Ehrungen und Belohnungen entgegengenommen.
Er hatte sich als Vorbild an Ehre und Tugend erwiesen und geglaubt, die
Zuschauer schon allein durch seine Gegenwart dazu zu inspirieren, für eine
bessere Welt einzutreten.
Jetzt war er ein Mann auf einem Pferd, an den sich ein
Mädchen klammerte. Das Pferd war dem Tode nahe, und sie waren verdreckt und
sattelwund und so schrecklich hungrig. Die Welt, von der sie sprach, hatte es
nie gegeben, jedenfalls nicht in dieser Form. In Wirklichkeit hatte es immer
nur diese schlammige Gegend gegeben, in der an jeder Weggabelung der Tod
lauerte. Die Sonne hatte im Sommer ein wenig heller geleuchtet, das war alles,
und sie hatte ihm närrischerweise vorgegaukelt, das grüne Gras und der blaue
Himmel hätten für alle Ewigkeit Bestand.
Nach Norden, dachte er. Er musste Bethane weit nach
Norden bringen, bis in die Nördlichen Königreiche, wo sie sicher wäre. Sie
würde im Exil herrschen, während die Barbaren ihr Land verwüsteten. Aber sie
würde leben. Und vielleicht würde eines Tages einer ihrer Nachkommen mit einem
starken Heer nach Süden reiten und Skrae zurückerobern. Oder was davon dann
noch übrig war.
»Ich sehe die Tische, Sir Croy. Sie biegen sich unter
der Last der Schüsseln. Es gibt gebratenes Fleisch jeglicher Art und die
wohlschmeckendsten Leckerbissen, die meine Köche zu zaubern vermögen. Ich sehe
die Boote auf dem Strow, und ihre Wimpel flattern in der Briseââ¦Â«
Kapitel 74
Malden streckte die Hand aus und packte das
Maul eines Wasserspeiers. Das steinerne Fabelwesen löste sich aus seinem
Fundament, aber der Eisenhaken, der es mit der Mauer verband, war selbst nach
so vielen Jahren der Vernachlässigung noch stark und hielt sein Gewicht. Er
kletterte auf den Steinrücken und ruhte sich einen Moment lang aus.
Er hatte schon leichtere Aufstiege bewältigt. Er hatte
Bezirke in Ness besucht, an denen ihm behaglicher zumute gewesen war. Das
Kapitelhaus hatte einen schlechten Ruf.
Der achteckige Bau mit dem hohen Turm stellte im
Stinkviertel eine Rarität dar. Ein Ort in dem brodelnden Menschenkessel, den
niemand betrat, ein gewaltiger Steinhaufen in einem Meer aus Holz und Stroh,
verloren und gemieden. Angeblich war das Kapitelhaus das am häufigsten von
Gespenstern heimgesuchte Gebäude der Freien Stadt, und sein Ruf war sogar
schlimmer als der der Pferdeinsel. Denn hier hatte das Böse noch lange nach der
Tragödie seiner Verfluchung weitere Opfer gefordert.
In den Anfangstagen von Ness â der Frühgeschichte
von Skrae â waren die Gelehrten Brüder der Göttin die Vertreter einer
angesehenen Einrichtung gewesen, ein Leuchtfeuer der Vernunft und Gelehrsamkeit
in einem gesegneten Land. In einer Zeit, da die Priester des Blutgottes immer
aufwendigere und grausamere Opfer gefordert hatten, hatten sie Kranke gepflegt
und Arme gespeist. Sie hatten der neuen Religion der Göttin Tausende von
Bekehrten zugeführt. Gerüchten zufolge hüteten sie Geheimnisse, die nicht
einmal die Zwerge zu ergründen wussten. In Rotwehr hatten sie die Heilige
Bibliothek erbaut, die gröÃte Sammlung von Büchern und Manuskripten auÃerhalb
des Alten Imperiums. In Ness hatten sie das Kapitelhaus erbaut, einen
Treffpunkt für alle, die nach Wissen und Erleuchtung strebten. Ursprünglich
hatte das Gebäude auÃerhalb der Stadtgrenze gestanden und war von eigenen hohen
Mauern geschützt gewesen. Als die Freie Stadt wuchs, hatte sie das Kapitelhaus
geschluckt, aber es hatte sich dennoch eine gewisse Abgeschiedenheit bewahrt.
Hinter den hoch aufragenden Mauern hatten die Gelehrten
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