Ancient BladesDie Metropole der Diebe
verächlich an und versetzten ihm vielleicht einen Tritt. Aber sobald sie den Arm bemerkten, murmelten sie meistens ein paar Worte unehrlichen Mitgefühls und eilten weiter, bevor er sie anbetteln konnte.
Aber da hatte Malden ihnen bereits den Geldbeutel aufgeschlitzt. Der gebrochene Arm war eine Attrappe. Der Zwerg Slag hatte ihn aus Holz geschnitzt und so lackiert, dass er Maldens Hautfarbe täuschend echt entsprach. Innen hohl und an der Unterseite offen, damit der echte Arm mühelos hineinpasste. In der Hand hielt der Dieb eine winzige, scharf geschliffene Schere und ein Stück angefeuchteten Filz. Alles nahm nur einen Augenblick in Anspruch; wenn sich das Opfer von ihm abwandte, schlitzte er die fetten Geldbeutel auf und ließ die Münzen geräuschlos in das Tuch regnen. Es waren hauptsächlich Kupferstücke, Groschen und Viertelpfennige, keine sonderlich wertvolle Ausbeute. Wenn es so weiterging, hätte er seine Schulden bei Cubill in ungefähr zwanzig Jahren beglichen.
Aber an einem schönen Tag wie diesem glich die Menge den geringen Ertrag wieder aus. Von allen Seiten strömten die Menschen auf den Marktplatz und drohten ihn schier zu sprengen. Die Anonymität, die eine große Menge bot, machte es ebenfalls leicht.
Er blieb eine Weile stehen, um sich umzusehen. Unbezähmbare Gier brachte mehr Diebe an den Galgen als jeder Stadtwächter oder Diebfänger. Es war nicht empfehlenswert, selbst bei einer so großen Menschenmenge allzu viele Geldbeutel aufzuschlitzen, denn man musste immer damit rechnen, dass jemand großes Geschrei erhob und jeder sofort seine Börse überprüfte. Dann käme es auf seine Füße und nicht auf seine Finger an, um ihn am Leben zu erhalten. Davon abgesehen gedachte selbst ein viel beschäftigter Mann wie Malden das Spektakel zu genießen, das an diesem Tag für Unterhaltung sorgen sollte.
Man hatte eine Zuschauertribüne an einer Stelle errichtet, wo der Schatten des Schlosshügels das Sonnenlicht und die Hitze des Tages am wirkungsvollsten abhielt, und dort saßen die mächtigsten Männer der Stadt, tranken gekühlten Wein aus Pokalen und harrten ihrer Unterhaltung. Selbst der Burggraf Ommen Tarness war anwesend. Der unumschränkte Herrscher der Stadt saß auf einem reich beschnitzten Holzhron; auf seiner Stirn funkelte seine auf Hochglanz polierte schlichte goldene Krone. Er trug Kleidung aus goldenem Brokatstoff, und an seinem Hals hing ein großer, verzierter Messingschlüssel. Trotz seines protzigen Äußeren hatte er das Gesicht eines befehlsgewohnten Mannes, das strenge Anlitz eines Herrschers. In diesem Gesicht gab es kaum einen Hauch von Gnade, dafür aber umso mehr Entschlossenheit.
Zu seiner Rechten hatte Murdlin, der Botschafter des Zwergenreichs, unter einem Sonnensegel Platz genommen. Zwerge sah man nur äußerst selten bei Tageslicht – die unterirdischen Geschöpfe hassten die Sonne. Murdlin trug geschwärzte Gläser vor den Augen, trotzdem schien ihm unbehaglich zumute zu sein. Seine Beine baumelten von der Kante des auf Menschenmaß zugeschnittenen Stuhls. Das Haar des Zwerges war für diese Gelegenheit mit Bärenfett geglättet, und sein Bart war zu hundert Zöpfen geflochten, von denen jeder einen Karneol am Ende trug.
Zur Linken des Burggrafen saß der Zauberer Hazoh, das Gesicht mit schwarzem Kreppgewebe verschleiert, wie es sich für einen Angehörigen seines gefürchteten Handwerks gehörte. Über diesen Mann gab es Geschichten, die einem das Blut in den Adern erstarren ließen. Angeblich lebte Hazoh schon seit undenklichen Zeiten in Ness – niemand kannte sein genaues Alter, aber er hatte seine normale Lebensspanne schon weit überschritten. Angeblich hatte er in den endlosen Kriegen in der Frühzeit des Königreichs Dämonen herbeibeschworen, um Skrae zuerst vor den Elfen und dann vor den Zwergen zu retten; er hatte die Erde erbeben und Feuer vom Himmel regnen lassen. Natürlich tat er solche Dinge nicht mehr. Schon einen unbedeutenden Kobold zu beschwören, reichte aus, um einen auf den Scheiterhaufen zu bringen. Trotzdem wichen die Bürger zurück und senkten den Blick, wenn Hazoh vorbeiging, und flüsterten Geschichten, die niemand wagte nicht zu glauben.
Hinter diesen drei Männern standen Vogt Anselm Vry und seine Stadtwächter, das Gefolge des Burggrafen, niedere Adlige, Ritter, Damen und zahllose Diener; so viele, dass die hölzerne Plattform unter ihrem Gewicht ächzte.
Auf dem gepflasterten Platz hatte sich die Elite des Goldenen Hügels
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