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Ancient BladesDie Metropole der Diebe

Ancient BladesDie Metropole der Diebe

Titel: Ancient BladesDie Metropole der Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Chandler
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ein, um nicht abzustürzen. Auf Dauer konnte er nicht verhindern, dass sich seine Finger dennoch verkrampften. Ununterbrochen hielt er Ausschau nach Besonderheiten in der Mauer, die ihm weiterhalfen, und er fand eliche. Hier und da ragten tropfende Abwasserrohre aus der Wand hervor. Gelegenlich passierte er schmale Fenster, die zwar breiter als Schießscharten, aber nie so groß waren, dass er sich hindurchzwängen konnte. Immerhin boten sie gute Gelegenheiten, um für einen Moment innezuhalten, die Hände zu massieren und sie für die nächste Etappe vorzubereiten. Es gab nur wenige solcher Stellen, und sie befanden sich weit voneinander entfernt, waren aber eine große Hilfe. Er bekam die Hände sogar lange genug frei, um einen Schluck Wein aus der Feldflasche am Gürtel zu nehmen. Schließlich machte Klettern durstig.
    Trotzdem hatten sich seine Hände nach sechzig Fuß in schmerzende Klauen verwandelt. Zehn Fuß weiter spürte er die Fingerspitzen nicht mehr. Die Vorderseite seines Wamses war mit Ziegelstaub befleckt, und Schweiß strömte ihm den Nacken hinunter.
    Auf der Höhe von fünfundsiebzig Fuß drohte eine neue Gefahr und versetzte ihn in Unruhe. Auf der anderen Seite des kanalisierten Flusses endete die gegenüberliegende Mauer – dort drüben war der Hügel niedriger und dicht mit Eichen und Kastanien bewachsen; man nannte das Viertel Königsgraben. An einigen der unteren Äste hingen Laternen, die von den Betreibern der Spielhäuser und teuren Schenken an der Habichtstraße gewartet wurden. Malden hörte Musik, gelegenlich trieb der Wind auch ausgelassenes Gelächter heran. Sollte dort zufällig jemand zum Schlosshügel herüberblicken, wäre Malden sofort aufgefallen – und er zweifelte nicht daran, dass man sofort Alarm schlagen würde. Die Freie Stadt Ness war achhundert Jahre alt und niemals von Eroberern geplündert worden, aber bekannlich gab es für alles immer ein erstes Mal.
    Malden hatte den Umhang von innen nach außen gewendet, damit seine hellere Seite zu sehen war. Er hatte die Farbe eines Weißdornblatts, auf der einen Seite ein dunkles Waldgrün, auf der anderen ein lichtes Salbeigrün. Die hellere Farbe würde dafür sorgen, dass er nicht auf den ersten Blick an der Mauer zu sehen war, aber jede Bewegung würde ihn mit Sicherheit verraten.
    Doch das war unvermeidbar. Er musste auf sein Glück vertrauen, dass niemand zufällig über den Fluss spähte.
    Und zumindest in dieser Hinsicht ließ ihn sein Glück auch nicht im Stich.
    In Höhe von achtzig Fuß hatten die Handwerker früherer Zeiten die Mauer verziert. Man hatte die Ziegel so bearbeitet, dass sie eine Reihe von Figuren bildeten, von denen jede zwölf Fuß hoch war, damit man sie von der gegenüberliegenden Habichtstraße aus noch erkannte. Malden hatte sie oft von diesem gar nicht so weit entfernten Aussichtspunkt aus gesehen, aber sie waren ihm immer viel kleiner vorgekommen. Sie stellten die männlichen Nachkommen von Juring Tarness dar, dem ersten Burggrafen der Freien Stadt Ness. Jede Gestalt zeigte einen seiner Nachfolger. Es waren bestenfalls primitive Darstellungen, und die Künsler hatten eine alberne Entscheidung getroffen. Jeder Burggraf war in voller Rüstung dargestellt; die Köpfe wurden von Kettenkapuzen verhüllt, und die Krone der Burggrafen schmückte die rechteckigen Helme. Darum war es so gut wie unmöglich, sie auseinanderzuhalten. Einer hatte einen Schnurrbart, der nächste einen Vollbart – vielleicht war das zu ihrer Zeit Mode gewesen. Malden hatte sich nie die Mühe gemacht, sich ihre Namen oder den Zeitraum ihrer Herrschaft einzuprägen. Die historischen Zusammenhänge beschäftigten ihn auch jetzt nicht. Dennoch war er ihnen aus einem einzigen Grund dankbar: Die Figuren waren leichter zu erklettern als die nackten Ziegel. Er entschuldigte sich stumm bei dem uralten Burggrafen, auf dessen Schultern er stand, dann stieg er, ohne innezuhalten, weiter zum Mauerrand empor.
    Einhundert Fuß, und seine Hände waren zu Haken erstarrt. Er stieß sie immer wieder in die Lücken zwischen den Ziegelsteinen und zog sich weiter nach oben. Einhundertzwanzig Fuß, und er hatte das Gefühl, sämliche Zehen gebrochen zu haben, weil er sie immer wieder in Spalten zwängte, die zu klein dafür waren.
    Einhundertdreißig Fuß – und er hörte über sich eine Stimme. Augenblicklich erstarrte er, drückte sich so eng wie möglich an die Mauer. Keine zwanzig Fuß über seinen ausgestreckten Armen patrouillierten Wächter

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