Andalusisches Feuer
doch alles, was dein Herz begehrt, und die Zustimmung deiner Eltern obendrein.“ Wie grausam er sein konnte, wenn er wollte.
Plötzlich waren von draußen Stimmen zu hören, und ein Paar betrat den Raum. „Sarah, darf ich dich den Eltern von Hernando vorstellen, meinem Onkel Ramón und meiner Tante Lucía.“
Die große blonde Lucía war sehr dünn. Ihre kalten blauen Augen funkelten wie Juwelen, hart wie die Diamanten an ihrem Hals. Ramón trat ganz jovial auf, er war breit und untersetzt, das Gesicht von Falten durchzogen.
Rafael unternahm keinen Versuch, ein Gespräch in Gang zu bringen. Auch seine Tante brachte Sarah gegenüber weder Interesse noch Höflichkeit auf. Nur Ramón bemühte sich, die angespannte Atmosphäre durch gelegentliche zusammenhanglose Bemerkungen aufzulockern. Die gegenseitige Abneigung war fast greifbar und Sarahs Erleichterung groß, als Consuelo endlich zu Tisch bat.
Sie nahmen Platz in einem prächtigen Speisezimmer, das in Scharlachrot und Gold gehalten war. Die lange Tafel war gedeckt wie für ein Bankett. Schwere silberne Kandelaber und antikes Kristall ergänzten das erlesene Service.
„Ich bin überrascht, dass Caterina nicht hier ist“, sagte Lucía scharf.
„Sie arbeitet rund um die Uhr an ihrer neuen Kollektion“, erwiderte Rafael ruhig. „Wenn sie nicht pünktlich fertig ist, gefährdet das ihre Karriere als Modeschöpferin ernstlich. Dafür hat auch abuela Verständnis.“
„Aber ich als Mutter kann das nicht tolerieren.“ Sie warf ihm einen giftigen Blick zu. „Caterina ist für uns zu einer Fremden geworden, und das ist deine Schuld!“
„Ich glaube nicht …“ Zaghaft griff Ramón in die Unterhaltung ein, doch was er dachte, blieb ein Geheimnis, denn seine Frau sprach einfach weiter.
„Du hast ihre Ehe zerstört und sie ermutigt, Gerry zu verlassen“, warf sie ihrem Neffen mit brüchiger Stimme vor. „Jetzt finanzierst du ihre sogenannte Karriere. Sie bekommt von dir, was sie will, es verdad?“
„Eine ganz neue Erfahrung für sie!“ „Mein armer Hernando dagegen erfährt keine solche Großzügigkeit.“ Ihre Stimme klang immer schneidender.
„Ich werde dem Aufsichtsrat jedenfalls keine Vetternwirtschaft zugunsten von Hernando vorschlagen.“ Er wandte sich Ramón zu, um anzudeuten, dass das Thema für ihn erledigt war.
Aber Lucía war nicht so leicht zum Schweigen zu bringen. „Morgen fliegen wir nach New York zurück.“
„A buela wird enttäuscht sein“, gab Rafael ausdruckslos zur Antwort.
„Nicht Enttäuschungen, sondern Aufregungen schaden ihr.“ Lucía lächelte Sarah kalt an. „Deine Ankunft hat sie fast umgebracht. Ich frage mich, warum wohl?“
„Du kannst mich beleidigen, aber nicht meine Frau“, fuhr Rafael sie an.
„ Por qué? Wirst du mich sonst verfluchen?“ Sie betrachtete Sarah mit schneidender Geringschätzung. „Sei vorsichtig. Rafael hat mehr von einem Zigeuner als von den Santovenas. Die Sinti sind sehr abergläubisch, sehr rückständig. Sie kennen nur Lüge und Betrug. Erziehung ist an sie verschwendet, wie du an Rafael siehst.“
„Deine hat dir aber auch nicht viel gebracht“, konterte Sarah, bevor sie sich die Bemerkung verkneifen konnte.
Völlig unerwartet warf Rafael den Kopf zurück und brach in lautes Lachen aus. „Vorsicht, Lucía, meine Frau ist nicht so brav, wie sie aussieht!“
Das hagere Gesicht seiner Tante lief blutrot an. Sie wendete sich an Sarah. „Du solltest uns danken für alles, was wir für deinen Mann taten!“ Als er nach Alcazar kam, war er ein dreckiger kleiner Wilder. Er stahl Essen und hortete es, er war gewalttätig, bedrohte mich sogar mit einem Messer …“
„Weil du mich geschlagen hast“, sagte Rafael so sanft, dass Sarah den Einwurf beinahe überhört hätte. Er hob sein Weinglas. „Ich glaube, wir haben genug über die Zähmung des kleinen Wilden gehört. Spar dir den Rest für deine nächste Wohltätigkeitsveranstaltung, Lucía.“
Die Frau sprang auf, rief etwas Unverständliches auf Spanisch und stolzierte aus dem Raum. Stille herrschte im Speisezimmer. Dann erhob sich Ramón mit rotem Kopf. „Ich muss euch beide zutiefst um Verzeihung bitten. Seit madre krank ist, steht Lucía unter enormem Stress“, warb er ohne große Überzeugung um Verständnis. „Entschuldigt mich, ich muss nach ihr sehen. Buenas noches.“
„ Buenas noches“, antwortete Sarah, der der flehende Blick in Ramóns traurigen Augen nicht entgangen war. Die ganze Szene hatte sie
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