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Andalusisches Feuer

Andalusisches Feuer

Titel: Andalusisches Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynne Graham
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unterzogen. „Rafael versteht sich auf Frauen. Du siehst wie eine Dame aus.“
    Wider Willen musste Sarah lächeln. „Der Schein kann trügen.“
    „Wenn man so alt ist wie ich, lässt man sich nicht mehr so leicht täuschen“, antwortete die betagte Frau trocken. „Ich würde zwar gern wissen, warum du meinen Enkel verlassen hast, aber jetzt bist du ja hier, und die Kinder sind es auch. Mehr geht mich auch nicht an.“ Sie hielt inne. „Zweifellos fragst du dich, warum ich mich für euch interessiere, denn Rafael hat dir bestimmt erzählt, wie seine Familie ihn behandelt hat.“
    Sarah hielt dem herausfordernden Blick stand. „Das hat er.“
    Die Kranke umklammerte mit der zerbrechlichen Hand fest das hochgestellte Gitter am Bett und verriet so ihre Nervosität. „Ich werde versuchen, dir unser Verhalten wenigstens in Ansätzen verständlich zu machen.“
    „Das ist nicht nötig.“ Die Situation war Sarah unangenehm.
    „Da bin ich anderer Meinung. Mein Gewissen quält mich“, gestand die Patientin. „Wir waren einmal eine glückliche Familie. Felipe und ich hatten drei Söhne. Der eine war ein Segen, der andere ein Fluch und der dritte ein Nichts … Wolltest du etwas sagen?“
    Sarah winkte rasch ab. Als Doña Isabel ihren Sohn Ramón so offen schlechtmachte, hatte sie entsetzt aufgestöhnt. Obwohl er als einziger überlebender Sohn keine Konkurrenz mehr hatte, schätzte ihn seine Mutter offenbar nicht mehr als früher.
    „Unseren Ältesten, Antonio, beteten wir an. Er war unser Sonnenschein, alle liebten ihn. Er war unersetzlich.“ Ihr Blick ruhte noch immer auf der jungen Frau, doch in Gedanken war sie weit fort. Sie schwieg eine ganze Weile.
    Sarah benetzte nun die Lippen und fragte dann: „Und Rafaels Vater?“
    „Marcos.“ Einen Moment lang schloss die Kranke die Augen, als könne sie dadurch schmerzliche Erinnerungen aussperren. „Schon als Kind steckte er ständig in Schwierigkeiten. Und er war sehr eifersüchtig auf Toni. Er kostete uns ein Vermögen, und damals waren wir noch nicht so reich wie heute. Felipe konnte ihn nicht bändigen. Aber er hatte Charme, enormen Charme, wenn er nur wollte. Doch dann hat er das Mädchen verführt, in das Toni verliebt war. Nicht weil er sie wirklich begehrte, sondern um Toni zu verletzen. Marcos hatte Freude daran, zu zerstören. Sieh dir Lucía heute an, so bitter und unfreundlich … die arme Lucía hat noch heute mein ganzes Mitgefühl. Sie hat Marcos leidenschaftlich geliebt.“
    „Lucía?“, warf Sarah verwirrt ein. „Ramóns Frau?“ Das war sicher ein Missverständnis, irgendwo musste sie den Faden verloren haben.
    „Lange vor ihrer Hochzeit mit Ramón war sie mit Marcos verlobt. Er ließ sie eine Woche vor der Trauung sitzen. Das war unverzeihlich! Felipe verstieß ihn und weigerte sich, ihn zu unterstützen. Zwei Jahre später wurden wir von seinem Tod unterrichtet. Er war Drogendealer geworden und in Streit mit der Konkurrenz geraten.“
    „Wie schrecklich.“ An dem reservierten Blick der alten Frau erkannte Sarah, dass sie besser nichts gesagt hätte.
    „Er starb im Krankenhaus an seinen schweren Verletzungen, doch vorher heiratete er aus Bosheit noch eine Sinto. Sie war hochschwanger von ihm.“
    „Aus Bosheit?“ Sarah verstand nicht.
    „Ohne unser Wissen hatte Toni Verbindung mit ihm gehalten. Marcos wusste von der Leukämieerkrankung und den geringen Überlebenschancen seines älteren Bruders und dass sein eigenes Kind, egal ob Mädchen oder Junge, in der Erbfolge vor Ramón stand.“ Die dünne Stimme klang schroff, aufgewühlt von der Erinnerung an die Tragödie. „Zwischenzeitlich ging es Toni recht gut. Wir begannen zu hoffen, aber es sollte nicht sein. Er starb in dem Jahr, als Rafael zu uns kam. Vielleicht hätten wir uns anders verhalten können, wenn wir früher von der Existenz unseres Enkels erfahren hätten. Aber das hatten wir nicht. Rafael hat Marcos Augen. Felipe konnte es nicht ertragen, ihn anzusehen.“
    „Also lieferten Sie ihn bei Ramón und Lucía ab.“ Sarah fühlte sich elend, so elend, dass sie es nicht verbergen konnte. Jetzt verstand sie! Die so grausam sitzen gelassene und gedemütigte Lucía – und Ramón, dessen sicher geglaubtes Erbe auf einmal dem Neffen gehören sollte.
    „Ramón war einverstanden“, verteidigte Doña Isabel ihren Sohn, aber sie brachte es nicht fertig, Sarah in die Augen zu sehen. Sie schloss die Finger fester um das Geländer. „Ich selbst trauerte noch zu sehr um Toni. In

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