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anderbookz Short Story Compilation II

anderbookz Short Story Compilation II

Titel: anderbookz Short Story Compilation II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Carol Oates , Peter Straub , Jewelle Gomez , Thomas M. Disch , Ian Watson , Robert Silverberg
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irgendwie in der Nähe dieses Meeres. Für ihren Vater, die Mutter und die anderen, die unerbittlich darauf zu marschiert waren, bedeutete es das Überleben. Jetzt hatte Gilda das gleiche Gefühl - vielleicht noch etwas stärker. Das Meer würde zur Ruhestätte ihrer Seele.
    Als sie wieder daheim war, entledigte sie sich der staubigen Kleider und wartete ganz allein im Dunkel ihres Zimmers, bis die Morgendämmerung anbrach; da löste sie ihre Frisur und fand Frieden in ihrem Erdenbett. Sie war erleichtert. Jetzt hatte sie das Ende des Weges vor Augen.

    An einem Nachmittag im Herbst war das Mädchen im weichen Licht der späten Sonne mit Gartenarbeit beschäftigt, wie schon seit vielen Jahren. Das überschaubare Terrain war ihr nach all den Jahren völlig vertraut. Ohne lange nachzudenken, erntete sie Gemüse und jätete Unkraut, wobei sie den Sonnenschein und die frische Luft genoß. Sie schaute zum Haus hinüber und sah, wie Bird ihr zuwinkte, während sie die Vorhänge vor Gildas Fenster zuzog. Das Mädchen träumte vor sich hin, und als plötzlich Mintas Schatten auf sie fiel, erschrak sie.
    Sie saßen eine Weile schweigend nebeneinander, bis das Mädchen schließlich fragte: »Wie lange bist du eigentlich schon bei Woodard’s, Minta?«
    »Ich war jünger als du, wie du gekommen bist«, sagte Minta stolz, »aber ich geh bald weg, vielleicht in den Westen, wo Rachel ist. Hab mein Geld gespart. Seh mich da ’ne Weile um.«
    »Und seit wann ist ... ist Bird hier?« Das Mädchen hangelte sich durch die Fallstricke der Grammatik.
    »Ich weiß es nicht. Länger als wir jedenfalls. Einmal ist sie fort, hat Bernice gesagt, aber sie war fix zurück. Ihre Leute, die Indianer, von denen sie kommt, wollten sie nicht zurück.«
    Beide Mädchen schwiegen, fühlten sich wie die Kinder, die sie einmal waren, bevor sie sich allein auf den Weg machen mußten. Wie um ihre Verletzlichkeit zu kaschieren, sagte Minta in entschiedenem Ton: »Wenn ich weggeh, bin ich weg. Ich will fort von diesem Kriegsgerede, ich will mein Glück machen. In Kalifornien.«
    »Glaubst du, Rachel läßt dich bei sich wohnen?«
    »Sie hat mir geschrieben mit ihrer Adresse und so. Sie ist zu dem Mann hin, wo Miss Gilda sagte, er kümmert sich um sie. Und er hat sie wo untergebracht, bis sie ’ne eigene Wohnung findet, und er hat gesagt, er hilft ihr, einen kleinen Laden aufzumachen.«
    Minta spürte den unausgesprochenen Zweifel des Mädchens. Sie sprach weiter, bemüht um Zuversicht für sich wie für das Mädchen.
    »Sie ist direkt am Hafen und hat ’ne Menge zu tun. Und es gibt nicht genug Frauen für alle.« Sie grinste, bemühte sich aber um einen geschäftsmäßigen Ton. »Falls sie was beiseite legen kann, will sie umziehn. In ’ne ruhige Gegend mit feinen Leuten.« Über Rachel und ihr neues Leben zu reden, nahm Minta schier den Atem. »Sie sagt, die Frauen und Männer tragen die schönsten Kleider, die sie je gesehen hat. Sie möchte von den Matrosen weg und näher bei den reichen Leuten wohnen.«
    Das Mädchen war bestürzt. Sie versuchte sich vorzustellen, wie Rachel ganz allein in einer Stadt im Westen lebte, mit eigenem Geschäft und in der Gesellschaft reicher Leute, die nicht versuchten, in ihr Bett zu hüpfen: Aber das Bild blieb unscharf und verschwommen, war zu fern.
    »Sag mal, willst du nich’ auch kommen? Wir könnten schön was auf die Beine stellen, so wie du nähen kannst und überhaupt.«
    Gilda und Bird verlassen? Der Gedanke war ein Schock; Das Mädchen hatte diese Möglichkeit nie in Betracht gezogen. Wie sie so in der warmen Sonne auf der weichen, freundlichen Erde kniete, erschien es ihr einfach absurd, die beiden Frauen zu verlassen. Auch wenn der Krieg vor der Tür stand und über Freiheit und Ungemach geredet wurde: Wohin sollte sie wohl flüchten? »Nee, das is’ hier mein Zuhause, denk ich.«
    »Nun, dann paß bloß auf.«
    »Was meinst du damit?«
    »Paß halt auf dich auf«, sagte Minta leise und schwieg. Der scharfe Unterton und Mintas plötzliches Schweigen verwirrten und ängstigten das Mädchen . Minta rührte deren ratloser Gesichtsausdruck. »Hier gibt’s ’n Haufen Leute, die glauben an Geister und so was. An Spuk. Kreolen wie Miss Gilda und die Indianer, die machen so was.« Minta sprach mit leiser Stimme, wobei sie den Oberkörper leicht nach vorn neigte, als würden ihre Worte dadurch freundlicher. »Ich mag Miss Gilda, auch wenn andere das nicht tun. Paß nur auf.« Sie rannte durch den Garten zur

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