Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
anderbookz Short Story Compilation II

anderbookz Short Story Compilation II

Titel: anderbookz Short Story Compilation II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Carol Oates , Peter Straub , Jewelle Gomez , Thomas M. Disch , Ian Watson , Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
Küche.
    Das Mädchen zupfte das restliche Unkraut aus und ging dann zur Küchentreppe, um sich an der Pumpe die Hände zu waschen und den Staub vom Kleid zu bürsten. Bernice beobachtete sie von der Veranda aus.
    »Was hast du zu Minta gesagt, daß sie so die Treppe raufgerannt ist?«
    »Weiß ich nich’. Ich hab kaum die Hälfte von dem kapiert, was sie sagte, so nervös ist sie. Aber ich soll mit ihr zu Rachel mitkommen.«
    »Und was noch?«
    »Sie hat vor was Angst. Vielleicht manchmal vor Miss Gilda. Was glaubst du?«
    Bernices Gesicht wurde abweisend. Als wäre eine Tür zugeschlagen. »Du gehst doch nicht mit, oder?«
    »Ich bleib hier, auch wenn’s Krieg gibt.«
    »Hör mal, Mädel, bislang hast du Glück gehabt. Aber du hast nur ein Leben, setz es nich’ aufs Spiel, nur weil du nich’ weg willst.« Bernices Stimme ließ widerstreitende Gefühle erahnen, sie schickte das Mädchen fort und hieß sie doch zu bleiben.
    »Mein Leben, das ist hier mit dir und Miss Gilda und Bird. Was sollte ich in Kalifornien denn anstellen - einen Hut aufsetzen und Lady spielen?« Das Mädchen lachte laut, nervös. Bernices Miene verriet die gleiche Wachsamkeit wie Mintas Stimme, und das Mädchen fragte erbost:
    »Was ist? Warum quetscht du mich aus und guckst so komisch?«.
    »Nix is’. Sie sind nur anders. Nicht wie normale Leute. Vielleicht ist das auch gut. Wer kann’s schon wissen.«
    »Das heißt, sie sind schlecht oder was?« Der Streit nahm dem Mädchen den Atem. Plötzlich wirbelten ihr Fragen über Fragen durch den Kopf. Was war mit Bird und Gilda los?
    »Nein.« Diese deutliche Antwort erinnerte das Mädchen daran, wie lange Bernice schon im Woodard’s war. »Ich sag nur, ich weiß nicht, wer sie sind. Nach all den Jahren, die ich hier bin, weiß ich immer noch nicht, wer Miss Gilda ist. Bei den Weißen kann man sonst immer sagen, was sie wirklich denken. Aber nicht bei ihr. Die Weißen sind auch immer scharf drauf zu erzählen, aus welcher Familie sie stammen. Aber nicht Miss Gilda. Bei Bird, da weiß ich eher, was Sache ist. Sie hat ein Auge auf Miss Gilda wie ... wie ...« Bernices Stimme wurde leiser, als sie nach Worten suchte, die dieses Kind, das fast eine Frau war, erreichen würden.
    »Aber einen Schaden hast du davon nicht.« Die Antwort des Mädchens verriet hundertprozentige Loyalität den beiden Frauen gegenüber, die sie in ihre Familie aufgenommen hatten.
    »Nee, ich nicht. Ich sitze bloß da und warte, daß die Flut kommt.« Bernice zerbrach sich keineswegs den Kopf, wer oder was Gilda oder Bird sein mochten. Ihre Sorge galt dem Mädchen und ihrer Zukunft.

    Wenige Tage nach diesem Vorfall nahm Gilda Bird und das Mädchen zur Farm mit. Bei ihrem Aufbruch stand Minta neben den leeren Pferdeboxen an der Straße, und auch wenn ihre Miene gelassen schien, so stand sie doch wieder leicht vorgebeugt da, als wollte sie jemandem insgeheim etwas zuflüstern. Als der Buggy die erste Kurve nahm, entdeckte das Mädchen Minta, und sie lehnte sich seitlich aus dem Wagen, um zurückzuschauen. Obwohl sie sich auf den Ausflug freute, verspürte sie angesichts von Mintas Warnungen ein seltsames Unbehagen, so wie bei der Krinoline, die ihr eines der Mädchen letzte Weihnachten geschenkt hatte.
    Zwar türmten sich finstere Wolkenberge am Abendhimmel, als sie den Buggy gen Süden fuhren, doch spürte das Mädchen Gildas Zuversicht, daß es keinen Sturm gäbe. Sie sprachen über viele Dinge, nur nicht über das Wetter. Und dennoch war Sturm angesagt - das verriet ihr schon der Blick in Gildas Augen und die flüchtige Berührung von Birds Hand. Eine Auseinandersetzung schien bevorzustehen. Das Mädchen wünschte sich nichts sehnlicher, als offen darüber zu sprechen und die beiden darauf hinzuweisen, wie sehr sie in der Stadt gebraucht würden, wenn der Krieg käme. Doch sie wußte, daß es unpassend wäre, eine Diskussion zu beginnen - Gilda widmete sich gern schweigend ihren Gedanken, bis sie offene Worte für angebracht hielt. Das war auf dem Weg zum Farmhaus nicht der Fall.
    Nach ihrer Ankunft verstaute das Mädchen ihre kleine Reiselade in der Abseite der Dachkammer, in der sie gewöhnlich schlief. Ob Minta wohl wußte, daß Gilda ohne Worte sprechen konnte? Vielleicht war das der Grund für ihre Warnung gewesen. Aber das Mädchen fürchtete sich nicht. Gilda rührte an ihre Seele, auch wenn sie häufiger distanziert und wenig vertraut wirkte. Zugang zu anderen Menschen ließ sich auf mancherlei Art finden, nicht

Weitere Kostenlose Bücher