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anderbookz Short Story Compilation II

anderbookz Short Story Compilation II

Titel: anderbookz Short Story Compilation II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Carol Oates , Peter Straub , Jewelle Gomez , Thomas M. Disch , Ian Watson , Robert Silverberg
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sprachen häufig über die Gentlemen, meist in nachsichtigem Ton, als wären diese Männer Kinder, die man mit Spielen beschäftigte, während die Frauen die wichtigen Dinge erledigten. Keine hatte je Anzeichen von Angst vor einem Woodard’s-Kunden erkennen lassen. War von Gewalt die Rede, bezog sich das stets auf die Stadt und häufig auf die hochnäsigen hellhäutigen Frauen und ihre weißen Lover. Das Mädchen wußte, daß Gilda Mißhandlungen niemals tolerieren würde, und sie selbst konnte es ebensowenig.
    Sie fing an zu weinen. »Bitte, Sir, Miss Gilda sucht mich bestimmt schon, ich muß in die Küche.«
    »Es dauert nicht lange.« Er packte sie am Handgelenk.
    »Sir, ich hab Ihnen doch erklärt ...«
    Sie hielt inne, als Gilda zur Tür hereinkam.
    »Kann ich Ihnen helfen, Sir?« Gildas Stimme hatte einen schmeichelnden Klang, und der Zuckerguß von Höflichkeit überdeckte ihren Zorn. Der Mann lockerte seinen Griff und verbeugte sich tief.
    »Ich wollte mich nur ein bißchen amüsieren.«
    »Ich bedaure, Sir, aber das Mädchen ist ausschließlich für Küchenarbeiten vorgesehen. Es gibt andere, die Ihnen bestimmt gefallen.«
    »Meinen Sie nicht, daß es an der Zeit ist, die Kleine einzuarbeiten?«
    »Nein, Sir. Das meine ich nicht. Überlassen Sie den Einsatz der Mädchen mir, und Sie werden sich blendend unterhalten. Warum gehen wir nicht zu den anderen Gästen?«
    Sie wandte sich dem Mädchen zu. »Geh zu Bernice. Sie braucht bestimmt Hilfe. Gleich wird die Torte serviert.« Das Mädchen quetschte sich an Bird vorbei, die lautlos in der offenen Tür erschienen war.
    »Mit dem Negermädchen könnten Sie ’ne Menge Geld machen, Miss Gilda. Sie wissen nicht, was Sie sich entgehen lassen.«
    »Wie ich schon sagte, das Organisieren ist meine Sache. Sie sollen sich nur vergnügen.«
    »Vergnügen wollt ich mich mit der Kleinen«, beharrte er.
    »Nun, das geht nicht.« Der Zuckerguß auf Gildas Worten setzte Rauhreif an, und ihr Rücken versteifte sich. Sie spürte, wie Bird den Raum betrat. »Besorgst du dem Herrn ein frisches Glas Champagner, Bird? Ich muß eine Weile fort.« Gilda verließ das Haus durch die Küche.
    Bernice wollte etwas sagen, hielt sich aber zurück, als Gilda empört an ihr vorbeistürmte.
    Die Nachtluft kühlte Gildas zorngerötete Wangen. Die Wut, die sie angesichts der Bedrängnis des Mädchens packte, überraschte sie.
    In ihrem ganzen Leben hatte Gilda nur widerwillig und selten getötet. Sie besorgte sich Blut, ohne Leben zu opfern. Aber es gab andere ihrer Art, das wußte sie, die sich vom Schrecken der Opfer ebenso nährten wie von deren Lebenssaft. Im Laufe der Zeit hatte Gilda so manche Lektion gelernt. Die wichtigste, die sie Sorel verdankte, ließ sich in einem Satz zusammenfassen: Wie lange eine Energie zur Verfügung steht, hängt von ihrer Ressource ab. Sorel hatte Gilda und seinen anderen Kindern eine Form der Energie aufgezeigt, die zu ihrem Erhalt nicht des Todes bedurfte. Seit drei Jahrhunderten bildeten die Zuneigung zu ihren Freunden und der moderate Konsum von Blut die Basis von Gildas Existenz. Als Bird in ihr Leben trat, empfand sie Freude und Furcht zugleich. Die Last der Jahre schien zeitweilig leichter; endlich war da ein Wesen wie sie selbst , das den Lauf der Zeit mit ihr teilen sollte. Wie unendlich fern schienen heute Birds Anfänge bei Woodard’s: wie sie behutsam die Führung des Hauses übernahm, wie sie allmählich Gilda immer näher kam; ihre gelassenen Bewegungen.
    Schon bevor Gilda erwog, Bird in ihr Leben aufzunehmen, verspürte sie bereits die Sehnsucht, Bird im Schlaf neben sich zu wissen. Doch solange sie sich Birds Gefühle nicht ganz sicher war, wollte sie die Freundschaft zwischen ihnen nicht aufs Spiel setzen. Doch dann ließ Bird Gilda unverblümt wissen, daß ihre Wünsche sich glichen. Und als sie schließlich beieinander lagen, merkte Gilda, daß Bird längst wußte, welches Universum sich vor ihr auftat. Sie begann Gilda mit listigem Lächeln zu necken, spaßte solange über den sogenannten Sauseschritt der Zeit und des Lebens, bis Gilda schließlich überzeugt war, daß Bird sich ihr anschließen wollte.
    Wie sie auf der finsteren Landstraße im Geschwindschritt dahineilte, geriet Gilda ins Nachdenken. Auch wenn die vielen Jahre mit Bird wunderschön gewesen waren, so währte ihr Leben einfach schon zu lange. Und Gilda erkannte, sah auch den Grund dafür. Es quälte sie das Gerede über den Krieg und der Haß und die Brutalität, die

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