anderbookz Short Story Compilation II
beugte sich vor. »Natürlich«, sagte er. Seine Stimme klang gepreßt. »Wohin ist sie diesmal gegangen?«
»Nach Timbuktu, glaube ich, oder New Chicago. Ich habe vergessen, was es war. Sie hat uns erzählt, daß sie bei der Abschlußfeier in Timbuktu sein wollte. Aber dann hatte Fenimon dringende Gründe, New Chicago aufzusuchen. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wozu sie sich entschieden haben.« Hawk machte eine bedauernde Geste. »In jedem Fall ist es schade, daß sie Mohenjo-daro verlassen hat, bevor der neue Besucher ankam. Sie hatte mit dir so eine wundervolle Zeit. Ich bin sicher, sie hätte auch von ihm einiges lernen können.«
Der unbekannte Ausdruck wirkte alarmierend auf Phillips. »Besucher?« sagte er und reckte scharf den Kopf. »Was für einen Besucher meinst du?«
»Hast du ihn noch nicht gesehen? Oh, natürlich, du bist ja gerade erst angekommen.«
Phillips befeuchtete seine Lippen. »Ich glaube, ich habe ihn gesehen. Langes rotes Haar? Und er trägt einen Bart?«
»Das ist er! Willoughby heißt er. Er ist - was? Ein Wikinger, ein Pirat oder so etwas. Enorm stark. Bemerkenswerte Persönlichkeit. Wir sollten viel mehr Besucher haben, meine ich. Sie sind den Temporären doch weit überlegen, da sind sich alle einig. Sich mit einem Temporären zu unterhalten ist so, als spräche man zu sich selbst; würdest du das nicht auch so sehen? Sie bringen dich nicht weiter. Aber ein Besucher - einer wie dieser Willoughby, oder wie du, Charles - ein Besucher kann wirklich anregend sein, kann die eigene Ansicht über die Realität verändern ...«
»Entschuldige mich«, sagte Phillips. Hinter seiner Stirn pochte es. »Vielleicht können wir unsere Unterhaltung später fortsetzen, ja?« Er stemmte die flachen Hände auf den heißen Stein der Umrandung und zog sich rasch aus dem Becken. »Beim Essen, vielleicht, oder danach, ja, in Ordnung?« In schnellem Trott verschwand er in dem Durchgang, der zu den privaten Bädern führte.
Als er den überdachten Teil der Anlage betrat, wurde seine Kehle trocken, sein Atem ging stoßweise. Er trabte rasch die Halle entlang und schaute in den kleinen Baderaum. Der bärtige Mann war immer noch dort, er saß aufrecht im Becken und hatte um jede der beiden Frauen einen Arm gelegt.
Seine Augen strahlten in dem dämmrigen Licht mit feuriger Intensität. Sein breites, selbstzufriedenes Grinsen drückte Kraft, Selbstvertrauen und Vergnügen aus.
Hoffentlich ist er das, was ich glaube, flehte Phillips innerlich. Ich war unter diesen Menschen lange genug allein.
»Darf ich hereinkommen?« fragte er.
»Nur zu, Freund!« rief der Mann im Becken mit dröhnender Stimme. »Tretet ein, leistet uns Gesellschaft und bringt auch Euer Weib! Fürwahr, möcht’ ich doch glauben, daß für mehr Volk noch Raum in diesem Zuber ist!«
Phillips vernahm diesen großartigen, lärmenden Ausruf mit Freude und Erleichterung. Was für eine ursprüngliche, rauhe Stimme! So reich und kraftvoll, so völlig verschieden von denen der Bürger!
Und die seltsamen archaischen Ausdrücke! Was für eine Sprache war das? Das konnte nur die gute, wohltönende, reine elisabethanische Ausdrucksweise sein! Sie besaß die Schnörkel und die Glut der Sprache Shakespeares. Und sie wurde mit - irischem? - Akzent gesprochen, wenn er nicht irrte. Nein, nicht ganz, es war englisch, aber eine englische Aussprache, die Phillips nie zuvor gehört hatte.
Die Bürger sprachen nicht so. Das konnte nur ein Besucher sein. Also stimmte es. Phillips fühlte sich erleichtert. Er war demnach nicht mehr allein. Ein weiteres Überbleibsel aus fernen Tagen, ein zweiter Wanderer, ein Gefährte im Chaos, ein Bruder im Unglück - ein Mitreisender, der sogar noch weiter getrieben worden war durch die Stürme der Zeit.
Der bärtige Mann grinste herzlich und machte Phillips mit einer ruckartigen Kopfbewegung ein Zeichen. »Wohlan, gesellt Euch zu uns, guter Mann. Es tut wohl, wieder ein englisches Gesicht zu sehen zwischen diesen Mohren und schurkischen Portugiesen! Aber wo ließest du dein Weib? Man kann nie genug Maiden haben, ist es nicht wahr?«
Seine überschäumende Lebensfreude wirkte beinahe schon zu heftig. Er lachte schallend, seine Stimme war laut und dröhnend. Beinahe schien er eine Figur aus einem alten Piratenfilm zu sein. Er verkörperte so stark diesen Typ, war so lärmend und lebensecht, daß er schon wieder unwirklich erschien. Ein Elisabethaner der Bühne, ein polternder, überlebensgroßer Falstaff ohne Bauch.
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