anderbookz Short Story Compilation II
Phillips fragte heiser: »Wer sind Sie?«
»Nun, Ned Willoughbys Sohn Francis bin ich, aus Plymouth. Im Dienste Ihrer allerprotestantischsten Majestät, doch höchst schändlich hinweggetragen von den Mächten der Finsternis und unter dies schwarze Hinduvolk geworfen, oder was immer das für Landsmänner sein mögen. Und Ihr selbst?«
»Charles Phillips.« Nach einem Augenblick des Zögerns fügte er hinzu: »Ich komme aus New York.«
»New York? Was für ein Ort ist das? Meiner Treu, Mann, ich kenne ihn nicht!«
»Eine Stadt in Amerika.«
»Eine Stadt in Amerika, fürwahr? Ihr treibt wohl Scherz mit mir! In Amerika, sagt ihr, doch nicht auf dem Mond oder vielleicht unter dem Meer?« An die Frauen gewandt brüllte Willoughby: »Habt Ihr ihn vernommen? Er kommt aus einer Stadt in Amerika! Er hat das Antlitz eines Engländers, doch nicht das rechte Betragen und nicht die rechte Rede. Eine Stadt in Amerika! Eine Stadt! Bei Gott, was müssen meine Ohren noch vernehmen?«
Phillips zitterte. Allmählich ging ihm die Bedeutung dieser Situation auf. Dieser Mann war durch die Straßen von Shakespeares London gegangen. Er hatte vielleicht mit Marlowe oder Essex oder Walter Raleigh einen Becher geleert. Er hatte gesehen, wie die Schiffe der Armada den Kanal heraufsegelten. Es überstieg Phillips’ Fähigkeiten, sich dieses Leben weiter auszumalen. Der seltsame Traum, in dem er sich selbst wiedergefunden hatte, erreichte nun einen Höhepunkt. Er fühlte sich wie ein erschöpfter Schwimmer, der durch die Brandung hart bedrängt wird - außer Atem und benommen. Die heiße, dumpfe Luft der Bäder machte ihn schwindelig. Es gab keine Zweifel, er war nicht länger der einzige Primitive - der einzige Besucher -, der sich in diesem 50. Jahrhundert frei bewegte, Sie führten auch noch andere Experimente durch.
Er hielt sich am Türrahmen fest, um Halt zu finden, und sagte: »Wenn Sie von ihrer allerprotestantischsten Majestät sprechen, dann meinen Sie Elisabeth I., nicht wahr?«
»Elisabeth, so ist’s! Was die erste angeht, so ist das wahr genug, doch warum die Mühe, sie so zu nennen? Ist sie doch einzig, erste und letzte, ich weiß es wohl, und Gott schütze sie, es gibt keine andere.«
Phillips betrachtete den anderen abschätzend. Er wußte, daß er behutsam vorgehen mußte. Ein falscher Schritt an dieser Stelle, und er hätte jede Chance vertan, daß Willoughby ihn ernst nahm. Wieviel metaphysische Verwirrung konnte dieser Mann jedoch verkraften? Wieviel wußte er, wieviel hatten andere zu seiner Zeit über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gewußt und darüber, daß ein Mensch so mühelos darin herumreisen konnte, als führe er nur eben von Surrey nach Kent? Das war eine Idee aus dem zwanzigsten Jahrhundert, im besten Falle aus dem späten neunzehnten, eine phantastische Spekulation, die höchstwahrscheinlich noch niemand in Betracht gezogen hatte, bevor Wells seinen Zeitreisenden auf den Weg schickte, um die letzte Dämmerung auf Erden zu betrachten. Willoughbys Welt war eine Welt der Protestanten und Katholiken, der Könige und Königinnen, in ihr gab es winzige Segelschiffe, Schwerter wurden an der Hüfte getragen und Ochsenkarren durch die Straßen gezogen; diese Welt erschien Phillips weitaus fremder und entfernter als die Welt der Bürger und Temporären. Das Risiko, daß Willoughby ihn nicht verstehen würde, war groß.
Aber dieser Mann und er waren natürliche Verbündete gegen eine Welt, die sie nicht geschaffen hatten. Phillips beschloß, das Risiko einzugehen.
»Elisabeth I. ist die Königin, der Sie dienen«, sagte er. »Es wird noch eine weitere mit diesem Namen in England geben, zu gegebener Zeit. Tatsächlich hat es sie schon gegeben.«
Willoughby schüttelte den Kopf wie ein verwirrter Löwe. »Eine andere Elisabeth, sagt Ihr?«
»Eine zweite, die der ersten nicht sehr ähnelt. Sie kommt lange nach Ihrer jungfräulichen Königin. Sie wird in dem regieren, was ihr als Zukunft betrachtet. Das weiß ich mit Sicherheit.«
Der Engländer schaute ihn angestrengt an und runzelte die Stirn. »Ihr seht die Zukunft? Seid Ihr vielleicht ein Wahrsager? Behüte Gott, vielleicht gar ein Geisterbeschwörer? Oder einer der Dämonen, die mich an diesen Ort verschleppten?«
»Nein, ganz bestimmt nicht«, erwiderte Phillips freundlich. »Nur eine verlorene Seele wie Sie.« Er trat in die kleine Kammer und kauerte sich neben das Becken. Die beiden Bürgerfrauen starrten ihn mit offener Faszination an. Er beachtete
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