anderbookz Short Story Compilation
Morone.
»Noch ein Sechserpack Schlitz«, sagte Barry von oben herab.
Als er den Laden mit der Mahlzeit und dem Bier in einer Plastiktüte verließ, wartete die Frau schon draußen auf ihn. »Ich habe Sie nicht ausgelacht, junger Mann«, erklärte sie ihm in demselben leidenschaftslosen, betrübten Tonfall, den sie auch schon gegenüber der Kühltruhe benutzt hatte. »Ich habe über mich selbst gelacht. Unverkennbar suchte ich wirklich Mitleid. Und jetzt, wo ich welches bekommen habe, sollte ich nicht überrascht sein, oder? Ich heiße Madeline. Meine Freunde nennen mich nur Mad. Jetzt dürfen Sie lachen.«
»Ich heiße Barry«, sagte er. »Trinken Sie Bier?«
»Oh, ich bin nicht betrunken. Ich habe schon vor langer Zeit herausgefunden, daß man nicht unbedingt Alkohol trinken muß, um das Vergnügen zu haben, sich daneben zu benehmen.«
»Ich meine, ob Sie Lust haben, jetzt etwas zu trinken, mit mir? Ich habe ein Sechserpack.«
»Klar. ›Barry‹ haben Sie gesagt? Sie sind so direkt, daß es fast schon abwegig ist. Ha! Lassen Sie uns zu mir gehen. Es ist nur ein paar Blocks von hier entfernt. Sie sehen, ich kann auch direkt sein.«
Es stellte sich heraus, daß ihre Wohnung nur vier Straßen von seiner entfernt war. Und sie sah keineswegs so aus, wie er es erwartet hatte. Weder die verkommene Ruine, überladen mit Erinnerungsstücken, noch das großkotzige, gezierte Absteigequartier von jemandem, der einmal ein Jemand gewesen war. Es war ein schlichtes anderthalb-Zimmer-Apartment - von der Art, in der jeder wohnen konnte, so wie es die meisten auch taten - mit Topfpflanzen, um das verfügbare Sonnenlicht zu betonen, und Bildern an der Wand, die verschiedene verblichene Luxusartikel darstellten, mit der üblichen Anordnung der Möbel - er fühlte sich fast bemüßigt, etwas umzuräumen - und einigen weiteren unpersönlichen Sachen, die verkündeten, daß hier jemand sein Leben weiterlebte, angeordnet in geregelter Unordnung zwischen diesen behutsam gruppierten indifferenten Gegenständen.
Barry öffnete zwei Bierdosen, und Madeline entfernte einen Haufen Bücher und Papiere vom Tisch und legte sie auf ein Bett mit vielen Kissen. Sie ließ sich am Tisch nieder.
»Wissen Sie, was das ist?« fragte er. »Ich meine die Krankheit, die Sie haben.«
»Ischias. Das ist mehr eine Unpäßlichkeit als eine Krankheit. Wir wollen nicht mehr darüber reden, ja?«
»Gut, aber Sie werden sich dann ein Thema ausdenken müssen, worüber wir reden können. Ich habe kein Talent darin, Gesprächsthemen zu finden.«
»Wieso denn das?«
»Keine Phantasie. Wenn andere Leute Ideen haben, kann ich da natürlich drauf einsteigen. Aber ganz auf sich selbst gestellt ist mein Verstand leer. Ich beneide Leute wie Sie, die aus dem Blauen heraus ein Gespräch beginnen können.«
»Hm«, sagte Madeline nicht unfreundlich. »Das stimmt nicht ganz so, wie Sie es darstellen. Es ist nur eine Umschreibung dessen, was ich beruflich tue.«
»Wirklich? Was machen Sie denn?«
»Ich dichte.«
»Ist nicht wahr! Man kann vom Dichten leben?«
»Ich kann nicht klagen.«
Barry wollte das nicht glauben. Weder die Frau selbst noch das Apartment korrespondierten mit der gängigen Vorstellung von Dichtern und dem notwendigerweise dürftigen Leben, das sie zu führen gezwungen waren. »Haben Sie schon was veröffentlicht?« fragte er listig.
»Zweiundzwanzig Bücher. Sogar noch mehr, wenn Sie die Sonderdrucke, Broschüren und so etwas dazurechnen.« Sie ging zum Bett hinüber, wühlte zwischen den Papieren und kehrte mit einem dünnen, schlecht geleimten Paperback zurück. »Das ist das jüngste.« Auf dem Deckel stand in geschmackvollem, puderartigem Blau auf dunklem, cremefarbenem Grund:
MADELINE IST WIEDER VERRÜCKT
Neue Gedichte von Madeline Swain
Auf der Rückseite war ein Bild von ihr. Sie saß hier, in diesem Zimmer, hatte das gleiche Kleid an und trank (es war ihm fast nicht geheuer) eine Dose Bier (obwohl nicht von derselben Marke).
Barry wendete das Buch in den Händen hin und her, studierte das Cover und dann wieder das Photo, aber es kam ihm genausowenig in den Sinn, einen Blick hineinzuwerfen wie Madelines Kleid hochzuziehen und nach ihrer Unterwäsche zu spähen.
»Wovon handelt es?« fragte er.
»Davon, woran ich dachte, während ich die Gedichte niederschrieb.«
Das war zwar sicher richtig, beantwortete aber nicht seine Frage. »Wann schreiben Sie sie?«
»Für gewöhnlich immer dann, wenn mich jemand darum
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