anderbookz Short Story Compilation
die Mitte des Schulbuchregals über dem verschrammten Tisch. Er setzte sich hin, um die Theaterstücke zu lesen. Seine Mutter war noch fort und machte die Einkäufe, wie sie es immer tat, wenn er aus der Schule kam.
Mr. Yotofeka hatte teilweise recht mit Das Stück vom Eidstab . Es war kein bedeutendes Theaterstück. Es handelte von einem Mann in früheren Zeiten, der eines Verbrechens angeklagt wurde. Ohne sein Wissen hatte der wahre Schuldige an dem Verbrechen den Eidstab des Mannes gegen seinen eigenen, der genauso aussah und sich genauso anfühlte, ausgetauscht. (Robert wußte, daß das unplausibel war.) Aber der falsche Eidstab sorgte irgendwie für Gerechtigkeit. Er erhob sich von seinem Platz auf dem Kissen des Opfers neben dem unschuldigen Mann, während er vom Ältestenrat befragt wurde. Er flog durch das Fenster und verfolgte den Verbrecher und knüppelte ihn zu Tode. (In den Regieanweisungen wird der Stab von einem Techniker über der Bühne mit Drähten vom Kissen hochgehoben und verschwindet durchs Fenster, und man sieht, wie der Verbrecher vor und zurück rennt und sich dabei schreiend den Kopf hält, der jedesmal, wenn er vorbeikommt, blutiger ist.)
Robert mochte Theaterstücke besonders gern. Er sah jeden Nachmittag der Menge zu, wie sie auf den Schall der Trommeln und Hörner hin, die ertönten, wenn ein Drama aufgeführt wurde, zum Schauspielhaus strömte. Er hatte natürlich die Stücke für Kinder gesehen - Großer Zauber, Der leichtgläubige Häuptling, Tochter der Yoruba . Er hatte auch die für europäische Kinder geschriebenen Stücke gesehen - Cinderella, Rumpelstilzchen, Feuernase . Jeder in seinem Alter hatte das - das Nigerianische Kulturzentrum führte diese Stücke für die unteren Klassen jedes Jahr aufs neue auf.
Aber wenn er Eintrittskarten bekommen konnte, über die Schule oder seine Lehrer, hatte er sich richtige Theaterstücke angesehen, sowohl afrikanische als auch europäische. Er war zu volkstümlichen Stücken für Erwachsene gegangen, besonders zu Warum die Schlange glatt ist , und er hatte König aller, die er überblickte und Schrei Afrikas des kongoianischen Bühnenautors Ourelay gesehen. Er hatte Tragödien und Komödien aus den meisten afrikanischen Staaten gesehen, sogar ein Stück aus Nippon, das anzusehen ihm Spaß gemacht hatte, in dem aber nicht viel passiert war. (Robert hatten die weiblichen Schauspieler am besten gefallen, bis er herausfand, daß es gar keine Frauen waren; dann wußte er nicht mehr, was er denken sollte.) Aber am meisten sagten ihm die älteren Theaterstücke zu, jene aus dem England des frühen sechzehnten Jahrhunderts.
Das erste, das er gesehen hatte, war Westwärts für Stinte! von Christopher Kingstone gewesen, dann Die vergnügliche Geschichte von Darastus und Fawnia von Robert Greene. Eine ganze Woche lang waren altenglische, europäische Stücke in der Kulturhalle gezeigt worden, nachts, vom Dämmerlicht beleuchtet. Seine Schule hatte jedem, der sie wollte, Freikarten zur Verfügung gestellt. Robert war der einzige Schüler seines Alters gewesen, der zu allen Aufführungen gegangen war, wenn er auch dort jede Nacht mehrere ältere Schüler sah.
Es hatte Cäsar und Pompeius von George Chapman gegeben, Mutter Bombay von John Lyly, Die Schreckgespenster von John Jeffere, Die tragische Geschichte von Romeus und Julia von Arthur Broke, Gewonnene Liebesmüh von W. Shaksper, Die Tragödie der Dido, Königin von Karthago von Marlow und Nash, und in der letzten Nacht das beste von allen, Der Spargelgarten von Richard Brome.
Daß solch ein kleines Land in einer so kurzen Zeitspanne so viele gute Bühnenautoren hatte hervorbringen können, faszinierte Robert, besonders, wenn man bedachte, daß es während dieser Periode sowohl die Türken als auch die Italiener bekämpft hatte. Robert begann in Büchern aus der Schulbibliothek über das Land und seine Geschichte nachzulesen. Dann erfuhr er, daß auf dem Onitsha-Markt viele Theaterstücke aus dieser Zeit verkauft wurden (da man keine Tantiemen an Leute bezahlen mußte, die schon seit zweihundert Jahren tot sind.) Er war hingegangen und hatte erst aus der Pennykiste, dann von den Zwei-Cent-Tischen gekauft.
Robert öffnete die Schublade seines kleinen Arbeitstisches. Unter seinem Sechste-Klasse-Zeugnis lagen die Broschüren von Mr. Freds Stand. Es waren sechsundzwanzig: zwanzig davon Theaterstücke, zwölf aus dem Englischen von vor dreihundert Jahren.
Er schloß die Schublade wieder. Er blickte
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