anderbookz Short Story Compilation
die Polizisten und brachten ihn fort; manchmal baten sie ihn auch nur, ruhig zu sein, und dann gehorchte er ihnen.
Meistens konnte man ihn gegen ein Gebäude gelehnt sehen, wie er mit sich selber sprach. Gelegentlich gab ihm jemand Geld. Dann begab er sich zum nächsten Laden oder zur nächsten Marktbude, die Palmwein verkaufte.
Er trieb sich schon seit einigen Monaten in Roberts Nachbarschaft herum. Davor hatte er sich in der Nähe des Marktplatzes aufgehalten.
Robert schaute ihn nicht an. Mit den Gedanken beim Marktplatz eilte er die Treppe hinauf. Der erste Schlag der Schulglocke erklang.
»Und daß du mir nicht auf dem Markt herumtrödelst«, hatte seine Mutter gesagt, als er sich für die Schule fertig machte. »Miss Mbene hat gestern mit mir wegen deiner Unpünktlichkeit gesprochen.«
Sie nahm den ersten von vielen Wäschestapeln aus dem Korb und häufte ihn neben dem Bügelbrett auf. Ein loderndes Feuer brannte im Herd, und ihre Bügeleisen hingen sauber nebeneinander aufgereiht in Gestellen darüber. Das Haus war bereits heiß wie ein Backofen und würde bald so feucht sein wie zur Monsunzeit.
Seine Mutter war immer noch jung und hübsch, aber verbraucht. Sie hatte für sie gesorgt, seit Roberts Vater beim Dammbau in einem Nebenfluß des Niger zu Tode gekommen war. Er und vierzig weitere Menschen waren davongeschwemmt worden, als der Kofferdamm brach. Nur zwei der Leichen waren jemals gefunden worden. Monatlich kamen ein kleiner Scheck von der Gesellschaft, für die ihr Mann gearbeitet hatte, und eine Beihilfe der Regierung für alleinstehende Mütter.
Ihre Nachbarin Mrs. Yortebe wusch, und sie bügelte. Sie nahmen Wäsche von den wohlhabenden Verwaltungsbeamten und Geschäftsleuten aus der besseren Gegend.
»Ich werde nicht zu spät kommen«, sagte Robert, von Gefühlen hin und her gerissen. Er wußte, daß er heute morgen dort nicht viel Zeit verbringen durfte, um nicht zu spät zur Schule zu kommen, aber er wußte auch, daß er diesen Umweg machen mußte, der ihn über den Marktplatz führte.
Er verstaute die Schulbücher und das Pausenbrot im Ranzen. Seine Mutter wandte sich ihm zu, um jemandes Hemd vom Stapel zu nehmen. Sie hielt inne und sah Robert an.
»Was machst du denn mit zwei Schreibheften?« fragte sie.
Robert erstarrte. Sein Verstand probierte zehn Lügen aus. Er sah den aufsteigenden Zorn im Gesicht seiner Mutter.
»Ich habe fast keine freien Seiten mehr«, sagte er. Sie beruhigte sich wieder. »Wenn wir heute viel schreiben, muß ich mir welche leihen.«
»Ich kaufe dir zehn Schreibhefte zu Beginn jedes Schuljahres und dann noch einmal zehn zu Beginn des zweiten Halbjahrs. Das Geld wächst nicht auf Brotfruchtbäumen, weißt du?«
»Ja, Mutter«, sagte er. Er hoffte, sie würde nicht in seine Schreibhefte sehen und feststellen, daß das eine nicht einmal zur Hälfte mit Schularbeiten gefüllt und das andere immer noch sauber und leer war. Seine Mutter betrachtete jede Art von Verschwendung als ›unersetzlichen Verlust von Zeit und Geld‹.
»Du sagtest, ich soll mir nichts von anderen leihen. Ich dachte, ich sollte besser Vorsorgen.«
»Nun«, meinte seine Mutter, »sieh zu, daß du nicht zum Marktplatz gehst. Es wird dich nur neidisch machen wegen all der Dinge, die du nicht haben kannst. Und komm deshalb nicht noch einmal zu spät zur Schule, oder ich lasse dich bis an dein Lebensende bügeln.«
»Ja, Mutter«, sagte er, lief zu ihr hin und rieb seine Nase an ihrer Wange. »Mach’s gut.«
»Du auch. Und geht nicht in die Nähe des Marktplatzes!«
»Ja, Mutter.«
Der Markt! Helle, mit Zeltdächern versehene Stände bedeckten eine Kongoquadratmeile Boden, angefüllt mit farbenprächtigen Gegenständen, Waren, Tieren und Leuten. Der Onitsha-Markt, nahe dem Fluß und der Bahnstation gelegen, war ein Treffpunkt der Handelsrouten. Hier verkauften tausend Händler die Woche über ihre Waren, sehr viel mehr noch an Wochenenden und Feiertagen.
Robert ging an den großen Melonenhalden vorbei, den Perlhühnern in Käfigen, den Tischen mit Spielzeug und Tand, alles hell und blitzend im Morgenlicht.
Die Leute redeten in fünf Sprachen, feilschten miteinander, riefen hierhin und dorthin, scherzten. Hier standen Männer aus Senegal mit ihren hellroten Hüten und Gewändern. Robert sah einen hochgewachsenen Wazir, still und fürstlich, der die Preise, die er bezahlen wollte, mit raschen Bewegungen seiner langen Finger anzeigte, während der Händler, vor dem er stand, jedesmal zwei
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