Andere tun es doch auch (German Edition)
Sie sich! Und wir hatten uns so gefreut, endlich mal Zeit zum Plaudern zu haben! Ich glaube, ich sollte Ihnen …«
»Lassen Sie gut sein, Herr Findling. Es war doch keine Absicht.«
»Na schön. Aber Sie, mein Herr, Sie zahlen gefälligst die Reinigung!«
»Selbstverständlich.«
»Und unser Essen, das wir jetzt nicht mehr essen können!«
»Selbstverständlich.«
»Und eine Luxushaarwäsche bei einem Spitzenfriseur!«
»Selbstverständlich.«
»Und das Bestechungsgeld für den Taxifahrer, damit er Frau Klapphorst in diesem Zustand mitnimmt!«
»Selbstverständlich.«
Zwei Serviererinnen sind inzwischen herangeeilt und picken das Fischgericht von Frau Klapphorst herunter. Wirklich beeindruckend, wie gelassen sie das alles nimmt. Eine Führungskraft wie sie lässt sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen. Ich sollte mir eine Scheibe von ihr abschneiden, denke ich mir, während ich den bärtigen Mann wütend anstarre und ihm in einem günstigen Moment die Geldsumme zustecke, die ich mit ihm vereinbart habe, als ich ihn vor einer Stunde von der Straße weg für den Job mit dem Fisch engagiert habe. Vielleicht wirklich der größte Fehler meines Lebens. Aber nur vielleicht.
L ARA Ich hätte doch ein Taxi nehmen sollen. Nur dies eine Mal, auch wenn mein Konto noch so überzogen ist. Rennen ist einfach nicht mein Ding. Meine Lunge platzt gleich, und ich fange an zu schwitzen. Das Duschen hätte ich mir echt sparen können. Aber ich will auf keinen Fall das blöde akademische Viertelstündchen zu spät kommen. Das ist so doof, so mainstream, da bin ich irgendwie eigen.
K AI Endlich stehen wir auf dem Bürgersteig. Das Taxi ist unterwegs, Frau Klapphorst ist, so gut es mit Küchenhandtüchern und Servietten ging, vorgereinigt worden, der bärtige Mann hat sich, ohne zu kichern, noch tausendmal für das Desaster entschuldigt, und ich habe, so gut ich konnte, den wütenden, gleichwohl gegen Schicksalsschläge wie diesen machtlosen Tischherrn gespielt. Ich dachte ja, Frau Klapphorst würde sich vielleicht doch noch aufregen, wenn der erste Schreck vorbei ist, aber sie scheint ausschließlich die lustige Seite der Sache zu sehen.
»Sie haben übrigens auch ein bisschen was abbekommen, Herr Findling.«
Was? Nein! Bitte nicht!
»Nicht auf Ihren Schuhen. Da, auf dem Ärmel.«
Puh, ein Glück!
»Tja, kann man nichts machen. So ein Tölpel.«
»Ist schon in Ordnung. Ich verrate Ihnen was: Ich war sowieso ziemlich müde von dem Abend gestern mit den Generalübernehmer-Leuten. Alles baustellengestählte Trinker. Wir beide treffen uns einfach nochmal zum Plaudern, wenn der Vertrag unterschrieben ist.«
»Gerne.«
»Wird auch Zeit, das zu machen. Das ist ja jetzt immerhin schon unser … Helfen Sie mir.«
»Drittes.«
»Genau, schon unser drittes gemeinsames Projekt. Wunderbare Schuhe tragen Sie da übrigens, Herr Findling. Aus London?«
»Oh, das haben Sie aber gut erkannt. Ja, sie wurden in London gefertigt, aber ich habe sie in Berlin gekauft. Fragen Sie nicht, wie lange ich suchen musste. Die meisten Schuhhändler hier können nicht mal einen Oxford von einem Derby unterscheiden.«
Um ein Haar hätte ich noch den Nachsatz »Wenn Sie wissen, was ich meine« hinterhergeschoben, aber mein Feingefühlssecuritymann hat meiner Zunge gerade noch rechtzeitig den entscheidenden Knüppelschlag verpasst. Alleine dass ich mich vor der übelst besudelten Frau Klapphorst mit meinem Wissen über Herrenschuhklassifizierungen breitmache, statt sie im Sekundentakt zu bedauern, ist eine Zumutung. Ein hochnäsiges »Wenn Sie wissen, was ich meine« hätte dem Ganzen noch die Krone aufgesetzt. Vor allem, wenn man bedenkt, dass …
»Wenn Sie mich fragen, ist ein Derby, egal welcher Machart, niemals ein ansehnlicher Schuh, sondern immer nur ein zugunsten von Breitfüßen vergewaltigter Oxford, Herr Findling. Ah, da ist ja das Taxi. Die Zentrale hat für mich extra einen Fahrer kommen lassen, der gebürtiger Bremer ist und den der Fischgeruch nicht so stört. Rührend, nicht wahr? … Ist was, Herr Findling? Sie haben Tränen in den Augen.«
»Das … das mit dem Unterschied zwischen Oxford und Derby …«
»Ja?«
»Ganz ehrlich, das hat noch nie jemand so treffend gesagt wie Sie, Frau Klapphorst. Ein Derby ist ein zugunsten von Breitfüßen vergewaltigter Oxford. Genau so ist es! Nach diesen Worten habe ich immer gesucht. Vielen Dank!«
»Vor allem, wenn es ein Budapester ist. Schönes Thema, können wir
Weitere Kostenlose Bücher