Andere tun es doch auch (German Edition)
nächstes Mal gerne vertiefen. Wir sehen uns bald. Und lassen Sie sich von dem Malheur nicht den Abend vermiesen.«
»Auf keinen Fall. Kommen Sie gut nach Hause, Frau Klapphorst.«
Ich sehe dem Taxi hinterher und lasse mir dabei noch einmal ihre wunderbare These auf der Zunge zergehen. Aber sobald das Heck verschwunden ist, stoppe ich alle Schuhgedanken, mache einen Satz nach vorne und renne los, so dass selbst ein wilder Stier noch etwas von mir lernen könnte.
L ARA Nein! Wie kann man nur so blöd sein! DVD vergessen! Nochmal zurück.
K AI Ist ja nicht so, dass man mit eleganten Oxfords an den Füßen nicht rennen könnte. Im Gegenteil. Wenn es gut eingelaufene Qualitätsschuhe wie meine schwarzen Fullbrogues von Church’s sind, läuft man damit wie ein Windhund über eine Wiese. Nur in den Kurven muss man etwas aufpassen, dass man auf den glatten Ledersohlen nicht aus der Erdumlaufbahn schlittert. Zum Glück muss ich nur ein Mal abbiegen. Ich will gar nicht dran denken, wie das wäre, wenn Frau Klapphorsts Lieblingsrestaurant nicht zufällig gleich bei mir um die Ecke läge.
Schon bin ich da. Die Treppen ins dritte Stockwerk sind eine undankbare Strecke für den Endspurt, aber ich lasse mich nicht lumpen. Oben angekommen, schaffe ich es, meinen Schlüssel ins Schlüsselloch zu rammen, bevor ich vor Erschöpfung zittere. Sekunden später bin ich drin in meinem geliebten Wohnzimmer-mit-Küchenblock-Balkon-und-zwei-Zimmern-Nest. Wie viel Zeit habe ich noch? Ou, eigentlich gar keine mehr.
Konzentration. Eins nach dem anderen. Erst das Wichtigste. Die Schuhe … Quatsch! Keine Zeit. Die lasse ich an. Ausnahmsweise. Die Frühstücksreste vom Tisch fegen und lüften. So. Und der Tisch wird meine Bar. Schnell die ganzen Whiskey-, Gin-, Rum-, Brandy- und Sonstwasflaschen draufgestellt, die ich gestern im Alkoholiker-Fachhandel zusammengekauft habe. Ach, Mist! Sieht man doch sofort, dass die alle noch nicht angebrochen sind. So bin ich sofort als Anfänger entlarvt. Nein, ich mache lieber die kleine Küchenzeile in der Nische zur Bar, dann sieht sie die Flaschen nicht von nahem.
Gut, jetzt Eis in den Eiswürfelbehälter. Ein kleines Vermögen hat das Teil gekostet, aber ohne geht es nicht. Und noch Gläser, Shaker, Barsieb und den übrigen Kleinkram aus dem Kapitel »Ausstattung der Bar« bereitgestellt. Ja, sieht gut aus. Vernünftig angezogen und rasiert bin ich zum Glück schon. Fehlt nur noch das Allerwichtigste: Welchen Drink biete ich ihr an? Einen aus der Kategorie Whiskey-Drinks, so viel ist schon mal klar. Ich hab auch schon mal vorsortiert. Entweder einen Brown Fox, oder einen Rusty Nail, oder einen New Orleans Sazerac. Ist zwar blöd, dass ich noch keinen davon ausprobieren konnte, aber hilft ja nichts. Ich muss jetzt schnell die Rezepte auswendig lernen und … Oh! Jetzt sehe ich es erst, keiner von diesen drei Zaubertränken ist mit Irish Whiskey! Alle mit amerikanischem Bourbon oder mit Scotch. Mist! Wenn ich doch nur in den letzten Tagen ein wenig mehr Zeit …
Drrrrring!
L ARA 23 Minuten zu spät!
Ruhig Blut. Und positiv denken. Abgesehen davon, dass er vom Warten Spinnweben hat und ich wie eine Vogelscheuche aussehe und verschwitzt bin, ist doch noch gar nicht so viel schiefgegangen. Immerhin habe ich heute keinen Rezeptionsdienst, das doofe Hotelhandy klingelt ausschließlich in der Handtasche meiner Kollegin Claudia. Das ist eindeutig positiv.
»Hey, Lara, schön, dass du da bist!«
»Tschuldigung, ich bin viel zu spät.«
Umarmen? Soll ich? … Oh, er macht es einfach. Fein … Uh, er riecht nach … Fisch?
»Komm doch rein.«
Wow! Jetzt bin ich aber beeindruckt. Man steht gleich im Wohnzimmer. Gut, ich finde, es ist einen Tick zu spartanisch eingerichtet, und alles in allem zu wenig Farbe. Zum Glück steht diese rote abstrakte Skulptur herum. Bisschen eckig die Form, aber immerhin ein Farbtupfer. Er hat Geschmack, keine Frage. Soll ich die Schuhe aus … Ach nein, er hat seine ja auch an. Schon wieder diese unauffälligen, ultrakonservativen schwarzen Treter. Hat der nur dies eine Paar?
»Schön hast du es hier. Hm, bestimmt teuer, in der Lage?«
»Geht so. Ich hab es selbst ausgebaut. War ziemlich heruntergekommen.«
Wohnung ausbauen, so was kann er? Doppelwow! Aber warum hast du deinen Drei-Tage-Bart abrasiert, blöder Kerl? Ich weiß, er wächst wieder nach, nur hätte ich ihn eben gerne heute Abend an dir dran gehabt. Das hättest du dir doch denken
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