Andere tun es doch auch (German Edition)
können. Aber gut, ich will ja auch gar nichts von dir.
»Darf ich dir die Jacke abnehmen?«
»Unbedingt.«
Ein Gentleman ist er auch. Nur der fehlende Bart und der Fischduft. Soll ich jetzt wirklich mit Schuhen reingehen? Ich frage einfach … Moment. Ich will gar nicht mit Schuhen reingehen! Das ist der Punkt. Ich sehne mich danach, aus den Dingern rauszukommen, weil mir heiß ist. Aber wie ist das? Wenn der Gastgeber in Schuhen rumläuft, ist es dann okay, wenn man selber die Schuhe auszieht? Das gibts doch nicht, ich bin völlig ratlos! Ich habe seit gefühlt fünfzig Jahren keine Wohnung mehr betreten, in der mich einer empfängt, der in Straßenschuhen rumläuft. Kann er nicht Schlappen anhaben, oder Strümpfe, oder barfuß sein, wie jeder normale Mensch? Ich ziehe sie jetzt aus, fertig! Hoffe nur, da kommt keine unangenehme Wolke raus, so wie mir die Socken qualmen. Egal. Ich will nichts von ihm, ich will nichts von ihm, ich will nichts von ihm.
Komisch, hier stehen überhaupt keine Schuhe rum, zu denen ich meine dazustellen kann. Er hat wohl wirklich nur das eine Paar. Sehen aber noch ziemlich gut aus, dafür, dass er sie die ganze Zeit trägt. Möchte nur nicht wissen, was das bei ihm für eine Wolke gibt, wenn er die mal auszieht.
»Gute Idee, Lara. Ich bin auch noch gar nicht aus meinen Schuhen herausgekommen. Hat, äh, bisschen länger gedauert auf der Arbeit heute.«
Ich stelle meine Treter in die Ecke und gehe lieber ein paar Schritte zurück. Krass. Ich habe noch nie einen Mann erlebt, der so lange braucht, um sich die Schuhe auszuziehen. Wie er die Schnürsenkel anfasst. Hat er ein erotisches Verhältnis zu denen? Wenigstens bleibt die gefürchtete Wolke aus. Nur ein leichter Hauch von Leder. Was will er denn jetzt an seinem Garderobenschrank?
»Nur noch kurz die Schuhspanner.«
Huch! Das ist ja gar kein Garderobenschrank … Hab ich etwa gerade vor Schreck gequiekt?
»Alles klar, Lara?«
Nicht zu fassen, das sind wirklich alles …
»Du … du hast ja noch mehr Schuhe als meine Freundin Kerstin!«
Okay, das ist übertrieben. Vermutlich haben nicht mal Carla Bruni und Paris Hilton zusammen so viele Schuhe wie Kerstin. Aber das ganze Regal voll! Das sind wirklich sehr, sehr, sehr … viele. Für einen Mann.
Der Fischgeruch ist jetzt völlig weg. Dafür duftet es, seit er den Schrank aufgemacht hat, wie in einem ziemlich teuren Ledergeschäft. So eins wie das in Mailand, in das ich mich vor zwei Jahren nur reingetraut habe, weil Kerstin die Idee hatte, dass wir uns als schwerreiche Touristinnen aus den USA ausgeben. Und die Erinnerung an das Edelgeschäft macht natürlich, dass ich mir jetzt erst recht wie eine Vogelscheuche vorkomme.
»Nun ja, hat sich schon einiges angesammelt im Lauf der Zeit. Aber ich finde, gute Schuhe sind …«
»Schon klar, schon klar. Aber … das sind ja alles die gleichen!«
K AI Nicht aufregen. Wenn ich mich aufrege, versaue ich nur den Abend … ALLES DIE GLEICHEN ! … Ruhig jetzt, sie kann nichts dafür. Sie kennt sich mit Drinks aus, ich mit Herrenschuhen. Jeder hat seine Passion, es ist völlig okay.
»Na ja, unterschiedliche Farben haben sie natürlich.«
HA! WENIGSTENS DAS FÄLLT IHR AUF!
»Aber auch nur Schwarz und Braun, oder?«
WAS DENN SONST? ROT? GRÜN? MIT GELBEN SPRENKELN ? … Sag nichts! Sag einfach nichts! Es ist gleich vorbei. Zieh die Schuhe auf die Schuhspanner und fertig.
»Kann ich schon mal vorgehen? Sorry, ich bin immer so neugierig.«
»Klar. Schau dich um. Ich bin gleich bei dir.«
Na also. Thema erledigt … Nein, irgendwie ärgere ich mich immer noch. Ein bisschen. Okay. Bis zur Fernsehcouch, wo sie jetzt steht, sind es mindestens neun Schritte. Und ich werde gleich mit jedem Schritt ein Stückchen entspannter, und wenn ich nach Schritt neun vor ihr stehe, ist alles vergessen. Ich nehme es mir fest vor.
»Schön hast du es hier.«
»Na ja, manche sagen, es wäre zu nüchtern.«
»I wo, ich finde das gut so. Könnte ich mir prima als Filmkulisse vorstellen, weißt du? Eine Kollegin von mir schneidet gerade einen Thriller. Da wohnt der Hauptdarsteller auch in einer ganz nüchtern eingerichteten Wohnung, und er wirkt ganz normal und sogar charmant, und am Ende kommt dann raus, dass er hinter seinem Bücherregal eine Geheimtür zu dem Raum hat, in dem er die ganzen verschwundenen Frauen, ähm … Was liest du eigentlich so? Ah, Architektur, Inneneinrichtung und … Wow, und dieser riesige Band, der ist
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