Andere tun es doch auch (German Edition)
Kurze Zeit später hat er die Reservierung erledigt. Und er hat sich dabei die ganze Zeit an meinen Rücken geschmiegt. Manchmal kann er wirklich so was wie ein Licht sein.
K AI Völlig richtig, ich liege mir gerade mit jemandem in den Armen. Und bei dem Jemand handelt es sich ohne jede Frage um meine Putzfrau Angelina. Und es geht zwar nur um Abschiednehmen nach einem schönen gemeinsamen Abend, aber genau deswegen ist es ja so seltsam, dass ich gar keine Lust habe, mich wieder von ihr zu lösen. Klar, sie ist keine von diesen Putzfrauklassikern mit Kittel, Kopftuch und rauen Händen. Sie läuft, seit sie ihre Kneipe aufgegeben hat, in zeit- und alterslosen Bluejeans und blauen T-Shirts rum, und der ganze Rest von ihr wirkt auch völlig alterslos.
»So, jetzt ist aber gut, Kai.«
»Tschuldigung.«
»Schon okay.«
Ich mache die Tür hinter ihr zu, schlurfe zum nächsten Stuhl. Wenigstens die Schuhe noch versorgen. Wenn man ein Paar Schuhe nicht ohne Schuhspanner lassen darf, dann meine wunderbaren braunen Semibrogues von van Bommel. Nachdem ich drei Mal im Sitzen eingeschlafen bin, habe ich die Dinger endlich drinnen. Und eine kleine Ewigkeit später ringe ich mich endlich dazu durch, von dem Stuhl aufzustehen. Ich wanke in einer ausladenden Schlangenlinie durch mein Wohnzimmer und werfe der leergetrunkenen Tamnavulin-Flasche in der Küchenecke einen letzten zärtlichen Blick zu. Mir ist nicht wirklich schwindelig. Es ist mehr so, als ob mein Kopf gerade einer anderen Umlaufbahn folgt als der Boden unter meinen Füßen.
Ich atme schwer und schaue mein Bücherregal an. Dann mein Sofa, den Tisch, die Vorhänge und die abstrakte rote Skulptur von meinem ehemaligen Studienkollegen Wei Wang. Ich mag es hier. Und kann sein, dass ich ein paar Mal in meinem Leben noch heftigere Räusche als diesen hatte, aber dieser hier ist eindeutig der schönste.
Ich falle rückwärts in mein Bett. Ein kleiner Hauch von Laras Duft steigt aus den Decken hoch, und ich lächele. Hoffentlich ruft sie wieder an. Bitte, ich wünsche es mir so. Was mache ich, wenn sie nicht mehr anruft? Na gut, wir haben immerhin den Löwenstein-Auftrag. Ich werde mir guten Whiskey leisten können.
L ARA Immer wenn ich Adrians Wohnung betrete, bleibt mein Blick als Erstes an seiner Gummiballsammlung hängen. Über 250 Stück in allen Farben, Größen und Formen liegen sauber aufgereiht in einem strahlend weißen, deckenhohen Regal aus irgendeinem futuristischen Plastikzeugs. Manche von ihnen haben nicht die Form einer Kugel, sondern die eines Rugby-Eis, eines geschliffenen Edelsteins oder eines Gehirns. Ich stand schon oft lange davor und dachte darüber nach, was hier los wäre, wenn man das Regal so kippen würde, dass alle Bälle gleichzeitig herausfallen. Ich schätze, es würde gut und gerne drei Tage dauern, bis wieder Ruhe in der Wohnung eingekehrt ist.
Heute gehe ich aber so schnell wie möglich an dem Regal vorbei. Mir ist immer noch komisch, und je länger ich mir die ganzen hüpfenden Gummibälle vorstelle, umso schlimmer wird es. Adrian erzählt gerne davon, dass die Sammlung früher doppelt so groß war. Als das Regal noch in der Werbeagentur stand, in der er früher gearbeitet hat, hat er zusammen mit seinem Kollegen Elvin gesammelt. Zu seinem Abschied durfte er das Regal mitnehmen. Aber von den Gummibällen nur die Hälfte. Und es gab einen großen Streit mit Elvin, wer welche bekommt. Wenn Adrian davon erzählt, wird er immer sehr traurig.
Wäre das Gummiballregal nicht hier, würde ich mich einfach auf dem dicken Wohnzimmer-Flauschteppich zusammenrollen und einschlafen. Aber der nächste Gegenstand, der weich und groß genug dafür ist, muss auf jeden Fall dran glauben. Adrians Bett ist zum Glück sehr weich und sehr groß. Und es sind zum Glück keine fünf Schritte mehr zur Schlafzimmertür. Er selbst trinkt in der Küche noch ein Glas Wasser. Zu was für Kraftakten er noch fähig ist. Ich werde schon eingeschlafen sein, wenn er kommt.
Noch ein Schritt. Und ja, es ist wirklich eine gute Idee, in das Schlafzimmer abzubiegen, sage ich mir noch einmal. Mein Ziel ist klar, und die Kurve ins Schlafzimmer ist einfach die logische nächste Etappe auf dem Weg dorthin. Aber etwas in mir sagt, dass es vielleicht die noch bessere Idee ist, eine Tür weiter ins Bad zu gehen. Ich verstehe die Idee zwar noch nicht ganz, aber die Stimme, von der sie stammt, ist laut und scharf. Fein. Mache ich halt ein paar Schritte mehr, was soll der
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