Andere tun es doch auch (German Edition)
Geiz.
Als ich wenige Sekunden später über der Kloschüssel hänge, verstehe ich die Idee auf einmal sehr gut. Ist doch immer schön, wenn man auf die richtigen Stimmen hört. Und auch sonst versuche ich meine Situation so positiv wie möglich zu sehen: Mein Kopf geht gerade nicht auf Tuchfühlung mit einem Einrichtungsgegenstand, der nicht für Köpfe geschaffen ist, ich habe keine Körperhaltung eingenommen, für die »im höchsten Maße demütigend« noch die harmloseste Umschreibung ist, und ich kotze mir auch gerade nicht die Seele aus dem Leib. I wo. Ich knie vor der Opferschale der allmächtigen Doppelgottheit Villeroy & Boch und bringe meine Opfergaben dar. So ist das.
»Oh nein, Butzi, du kotzt dir ja die Seele aus dem Leib!«
Harry Potter hätte bestimmt einen Adrian-in-Luft-auflös-Zauber parat.
»Gehts?«
Danke der Nachfrage. Kann gerade nicht antworten. Finde aber gut, dass du wenigstens keinen Kommentar über die Farbe meines Schwalls abgibst. Noch lieber wäre es mir allerdings, du würdest einfach aus der Tür verschwinden und dich um deinen eigenen Kram kümmern.
»Das kommt bestimmt von den Zitronen. Die waren tatsächlich nicht bio. Und die Erdbeeren auch nicht. Hab nachgeschaut. Mir ist seitdem auch bisschen flau. Kann eigentlich nicht sein. Waren doch nur vier Island Queens. Oder fünf? Warte mal, wie viele Island Queens hattest du?«
Wenn er noch ein Mal Island Queen sagt, stecke ich seinen Kopf in meine Opferschale. Und zwar noch bevor die Götter mein Opfer angenommen haben!
Plimplam! Plimplam!
Nein!
»Warte, ich geh wieder ran, Butzi.«
Plimplam! Plimplam!
»Wo ist es denn, das Handy?«
Plimplam! Plimplam!
»Das gibts doch nicht, wo kann …? Ha! Hier, habs gefunden. War unter deinen Tampons.«
Plimplam! Plimplam!
…
Hä, warum geht er nicht ran?
Plimplam! Plimplam!
»Tschuldigung, Butzi … Kannst vielleicht doch … selbst rangehen?«
» HUWÄÄÄRX … Nein.«
»Okay, ich versuche es … Hotel Royal, guten Abend, was kann … kann … HUWÄÄÄRX .«
F REITAG
K AI Nicht zu fassen. Sonntag ist schon der feierliche erste Spatenstich für die Löwenstein-Villa, aber der Einzige, dem man etwas Unruhe anmerkt, ist Jochen. Während alle anderen, einschließlich mir, in bester Freitagslaune die Hände hinter dem Kopf verschränken und das Wochenende herbeiträumen, scharrt er mit den Füßen wie ein angepiekter Stier in der Arena von Toledo. Hier ist das Scharren allerdings wesentlich lauter als in Toledo, weil wir keinen Sand auf dem Boden haben, sondern rauen Estrich. Ich habe mir schon öfter Gedanken gemacht, ob wir das auf Dauer so lassen sollen. Fabrikloft-Charme ist ja ganz nett, aber vielleicht übertreiben wir es. Ich könnte zum Beispiel wirklich Sand ausstreuen lassen. Sähe lustig aus, und die Ledersohlen von Jochens miserabel verarbeiteten Strauss-Innovation-Schuhen würden keine unangenehmen Schrappgeräusche mehr machen. Allerdings würde Joan spätestens am nächsten Tag feststellen, dass sie eine Sandallergie hat und ab dann entweder krank sein oder uns die Ohren vollniesen.
Wo war ich gerade? Erster Spatenstich. Sonntag. Das ist übermorgen. Und ich habe noch die Muße, über Sand auf dem Boden nachzudenken. Das kann nicht gut sein, oder? Ich stehe auf, gehe zur Wand, an der der große Ausdruck von Jochens Baustellenplan hängt, und mustere ihn mit zusammengekniffenen Augen. Warum unruhig werden? Jochen hat den Plan gemacht, und er ist unfehlbarer als der Papst.
Daneben hängen die vom Ingenieurbüro erstellten Fundamentpläne. Wir haben sie durchgesehen. Auch hier gibt es erst mal nichts zu tun. Klar, bald werden jede Menge Fragen auftauchen. Aber eben erst ab nächster Woche. Ist doch völlig richtig, dass ich im Moment nichts weiter mache, als noch einmal ganz ruhig durchzuatmen, bevor das Chaos losbricht.
»Kannst du aufhören, mit den Füßen zu scharren, Jochen? Ich habe Kopfschmerzen, weißt du?«
Danke, Joan.
Apropos Kopfschmerzen, ich habe komischerweise überhaupt keine. Und ich fühle mich auch sonst taufrisch. Man könnte glauben, dass ich die infernalische Whiskey- und Cocktailorgie mit Angelina gestern nur geträumt habe. Dem ist aber nicht so. Als Erstes habe ich heute Morgen die ohne jeden Zweifel leere Tamnavulin-Flasche auf meiner Küchenanrichte gesehen, als Zweites die seitenverkehrt in meine Semibrogues gesteckten Schuhspanner. Außerdem muss ich das Barbuch an eine unmögliche Stelle gelegt haben, denn ich kann
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