Andere tun es doch auch (German Edition)
bin nicht in den Riesenbuchladen gegangen, weil ich hoffe, dass ich ihm da über den Weg laufe wie neulich. Das wäre totaler Quatsch. Schon allein wenn man das wahrscheinlichkeitsmathematisch durchchecken würde. Wenn man mal zufällig jemanden an einem Ort getroffen hat, wird es doch automatisch unwahrscheinlicher, dass man ihn ein zweites Mal ausgerechnet dort trifft, oder? Na also. Ich bin einfach nur gern in dem Riesenbuchladen, weil man hier prima lesen kann. Und zwar nagelneue Bücher, nicht so abgegrabbelte wie in der Bibliothek. Und sie haben in jedem Geschoss bequeme Sessel mit Blick ins Foyer, auf denen man sich, wenn man will, stundenlang rumfläzen darf.
Genau das tue ich jetzt. Ich habe vor einer Stunde feierlich mein viertes Mal Per Anhalter durch die Galaxis eingeläutet. Höchste Zeit, das letzte Mal ist schon über fünf Jahre her. Natürlich habe ich die Bände auch zu Hause, aber hier macht es einfach mehr Spaß zu lesen. Und beim Anhalter kann ich sicher sein, dass ich alles um mich herum vergesse.
Manno, immer noch nicht drei Uhr! Eine halbe Stunde noch. Vielleicht gehe ich mal runter ins Café, eine Kleinigkeit essen? Ist ja zum Glück nicht so teuer hier. Hoffentlich ist mein Sessel nachher nicht weg. Wenn ich einfach das Buch drauflege? Ein bisschen unverschämt ist das ja schon. Am Ende ärgert sich einer darüber und verräumt es mit Absicht so, dass ich es nicht mehr finde. Nein, ich hole lieber irgendein anderes Buch und lege es als Besetztzeichen dahin, und der Anhalter kommt mit. Nächstes Mal nehme ich ein Handtuch, wie auf Mallorca.
Fein. Dann los. Ich liebe diesen Laden. Ist sicher nicht im Sinne des Erfinders, dass ich mich hier die ganze Zeit umsonst vergnüge, aber ich mach es wieder gut. Wenn ich irgendwann wieder Geld habe, kaufe ich sofort fünf Meter Bücher. Außerdem ist meine Anwesenheit ja auch ein Beitrag, um ein gutes Verkaufsumfeld zu schaffen. Ein voller Buchladen regt doch viel mehr zum Kaufen an.
Jaaa, ich gebe es ja zu, ich habe gerade auf der Rolltreppe herumgeschielt, ob ich Kai irgendwo sehe. Muss mich mal zusammenreißen. Noch eine halbe Stunde bis drei, das halte ich durch. Das ist nur der Endspurt. Jetzt erst mal was Feines aussuchen. Kaffee ist gesetzt. Und dazu nehme ich … eine Gemüsequiche. Bin ja allein, da kann man ruhig mal Kaffee zur Gemüsequiche trinken. Ein schöner Tisch mit Blick auf das Menschengewusel ist auch frei. Na bitte.
Nach Murphys Gesetz hätte Kai jetzt eigentlich doch noch zufällig vorbeikommen müssen. Erstens hätte er mich dabei ertappt, wie ich Kaffee zur Gemüsequiche trinke (was übrigens ganz hervorragend schmeckt, aber das darf man ja keinem erzählen), zweitens habe ich gerade auf der Toilette bemerkt, dass mir eine Per-Anhalter-durch-die-Galaxis -Lachträne mein Make-up komplett ruiniert hat. Seltsame Welt, in der man sich nicht einmal mehr auf Murphys Gesetz verlassen kann.
Gleich drei. Es wird ernst. Entweder Katastrophe, oder Kai ist ein Arschloch. Beides traurige Optionen eigentlich. Trotzdem, im Moment bin ich einfach nur aufgeregt. Ich rufe schnell nochmal Kerstin an … Hä? Nein!
MEIN HANDY! ES WAR DIE GANZE ZEIT AUS!
Klar, jetzt fällt es mir wieder ein! Ich schalte es sonst nie aus, aber gestern Nacht war mein letzter Gedanke vor dem Einschlafen, dass er bestimmt noch anrufen wird. Und ich war so erbärmlichelendiglich müde, dass ich mich nicht mehr in der Lage sah, das Ding über irgendwelche komplizierten Menüs auf stumm zu schalten, also hatte ich es kurzerhand … Jetzt aber schnell an damit … Ja!!! Eine SMS von Kai.
liebe lara, es tut mir fürchterlich leid! ich habe einen großonkel, der im altersheim wohnt und
der von zeit zu zeit probleme hat. ich würde es
dir gerne in ruhe erzählen, aber ich hoffe vor
allem, dass du nicht sauer bist. ich versuche
es später nochmal.
ganz liebe grüße und nochmal entschuldigung, kai
Jetzt muss ich Kerstin erst recht anrufen! Hoffentlich ist sie …
»Hallo Laraschatz!«
»Hallo Kerstin, hör zu.«
»Okay.«
Ich sabbele Kerstin voll mit allem, was ich seit gestern Nachmittag erlebt habe. Schallendes Gelächter, als ich ihr von Reifenfilm und Blechgasse erzähle, Riesenempörung, als sie hört, dass er einfach abgehauen ist, und versöhnlichere Töne, als ich ihr seine SMS vorlese.
»Und, soll ich ihn jetzt anrufen?«
»Lara!«
»Ja, schon gut.«
»Das will ich auch meinen.«
»Okay.«
»Und bevor du die SMS gesehen hast, wolltest du
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