Andere tun es doch auch (German Edition)
seiner Klugscheißer-Nummer mit der vergessenen Damentoilettentür sauer zu sein. Na ja, und dass er sich noch nicht gemeldet hat, um mir alles zu erklären. Aber eigentlich kann das nur eines heißen: Der Schlamassel, was auch immer es ist, ist für ihn noch nicht vorbei.
Ich beiße zu, das Toastbrot zerbirst laut krachend zwischen meinen Zähnen, und die lauschenden Nachbarn wundern sich sicher, wie man so kurz nach dem Sex schon wieder Hunger haben kann.
K AI Es müsste mir bessergehen. Tut es aber nicht. Fast gar nicht. Kaum zu glauben. Ich bin nach dem furchtbaren Erlebnis mit der neuen Verkäuferin bei Scholenbach Klassisches Schuhwerk zu meinem anderen Stammladen, von Truschinsky Herrenschuhe, getaumelt und habe dort zum ersten Mal in meinem Leben einen Edward-Green-Schuh anprobiert. Ganze zehn Minuten bin ich damit hin- und hergelaufen. Das weiche Kalbsleder schmiegte sich an meinen Fuß und streichelte ihn. Ich habe geradezu gespürt, wie der Geist vollendeter Schuhmacherkunst in mich gefahren ist. Trotzdem geht es mir nicht besser.
Wahrscheinlich hätte ich sie doch kaufen müssen. 820 Euro. Nein, geht nicht. Beim besten Willen. Frühestens wenn das Löwenstein-Projekt fertig ist. Wobei, eigentlich hatte ich die ersten Edward-Green-Schuhe als Selbstgeschenk für meinen vierzigsten Geburtstag eingeplant. Was, wenn ich jetzt schon vorgreife? Soll ich mir dann zum Vierzigsten die Maßgefertigten von John Lobb aus London leisten, die eigentlich für den Fünfzigsten vorgesehen waren? Und was dann zum Fünfzigsten? Eine Steigerung ist nicht mehr möglich. Vielleicht zum Vierzigsten ein Paar Maßgefertigte von Berluti und die von John Lobb doch wie geplant erst zum Fünfzigsten?
Oder hat das alles gar nichts mit meinem Problem zu tun? Kann es sein, dass ich mich auch schlecht fühlen würde, wenn ich genau in diesem Moment zwei auf Glanz polierte, perfekt eingelaufene Maßgefertigte von John Lobb an meinen Füßen hätte? So unglaublich das auch klingen mag, ich fürchte, die Antwort heißt ja. Manche tanzen um den heißen Brei herum, ich gehe in Schuhgeschäfte. Warum rufe ich nicht einfach bei Lara an? Weil ich auf einmal doch glaube, dass ich kein Anruftyp bin? Weil ich Angst habe, alles noch schlimmer zu machen? Pah! Schlimmer als jetzt geht es sowieso nicht. Und der Anruftyp in mir ist gestern zum Leben erwacht und hat gezeigt, was er kann.
Ich mache es jetzt einfach. Ich rufe sie an und erzähle ihr die ganze Geschichte von Großonkel Karl. Schade, ich hätte gestern mal ein paar Takte seiner abenteuerlichen Smells like Teen Spirit -Version mit dem Handy mitschneiden sollen. Wäre noch anschaulicher gewesen. Aber vielleicht kommt sie ja mit ins Museum für Verkehr und Technik?
Los jetzt! Da ist die Nummer. Kurz draufgetippt. Gleich sage ich »Hallo Lara«, und der Rest läuft von alleine. So arbeiten Anruftypen. Man muss sich nur trauen.
L ARA Ich mache es einfach so: Ich laufe ein bisschen in der Stadt herum und warte, dass er anruft. Und wenn bis drei Uhr nichts kommt, rufe ich ihn an. Kerstin würde zwar nein sagen, aber ich will ja nur wissen, was passiert ist. Heißt noch lange nicht, dass ich ihm verzeihe oder so was. Wenn gestern nicht mindestens sein Haus eingestürzt ist, kann er mich ab sofort kreuzweise. Außerdem will ich ja sowieso nichts von ihm. Also nicht wirklich.
Aha. Sein Haus ist schon mal nicht eingestürzt. Ist natürlich nur Zufall, dass ich in diesem Moment vor seinem Eingang vorbeispaziere. Ich hätte jeden anderen Weg nehmen können, und ich werde auf keinen Fall mit Absicht irgendwo rumlaufen, wo ich ihn vielleicht treffen könnte. Wie albern wäre das denn. Ich könnte zum Beispiel ohne weiteres mit der U-Bahn nach Charlottenburg fahren, um dort zu bummeln, ist nur im Moment einfach viel zu schönes Wetter für die U-Bahn. Bummel ich halt durch Mitte. Ist ganz normal, hat nichts mit Kai zu tun.
Und abgesehen von seinem Haus kenne ich sowieso keine Orte, von denen ich weiß, dass er da öfter ist. Was weiß ich überhaupt schon? Okay, außer dem Restaurant von gestern. Da bin ich vorhin vorbeigekommen. Auch zufällig. Und sonst gibt es keinen Ort mehr, den ich … Na ja, ich könnte, also nur theoretisch …
Es ist schon wirklich doof, dass er sich nicht meldet! Hoffentlich steckt er in Riesenschwierigkeiten! Sonst ist er ein Ober-doppel-mega-Superarsch! Aber ich sollte jetzt wirklich an was anderes denken. Um drei Uhr rufe ich an und Schluss.
Nein, ich
Weitere Kostenlose Bücher