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Andere tun es doch auch (German Edition)

Andere tun es doch auch (German Edition)

Titel: Andere tun es doch auch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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ledernen Lastkahn an. Zu einem Trachtenanzug würde er vielleicht passen, schießt es mir spontan durch den Kopf. Aber nein, reden wir die Sache nicht schön, in Wahrheit ist dieser Derbtreter selbst für einen Gewichthebeweltmeister noch zu grobschlächtig.
    »Ist irgendwas, Sie schauen so?«
    »Migräneanfall. Ich komme wann anders wieder.«
    »Möchten Sie sich vielleicht setzen?«
    »Nein.«
    L ARA   
     
Man kann die Augen noch ganz lange zulassen, selbst wenn man schon längst weiß, dass man wach ist.
Man muss mit geschlossenen Augen merken, dass es schon richtig hell ist und die Sonne durch die Vorhänge knallt.
Die Bettdecke muss sich anfühlen wie eine zweite Haut. Man braucht das gute Stück keinen Zentimeter verrücken, um irgendeinen Körperteil freizulegen oder zu bedecken.
Man muss nicht aufs Klo.
Man kann sich an seinen Traum erinnern, aber nur ein bisschen. Und er war schön. Aber nicht schön genug, dass man sich ärgern muss, weil man aufgewacht ist.
Man hat ein bisschen Hunger. Nicht so viel, dass es einen aus dem Bett treibt, aber genug, um sich unbändig auf das Frühstück zu freuen.
Es gibt keinen Zweifel, dass man noch nie in seinem Leben so ausgeschlafen war wie genau in diesem Moment.
    So und nicht anders muss es sein, das perfekte Aufwachen. Und genau das erlebe ich gerade. Wunderschön! Ich könnte wirklich sehr glücklich sein, wenn nicht
sofort wieder die Erinnerung an den blöd-seltsam-empörenden Abend mit Kai gestern über mich herfallen würde.
    Aber lassen wir fünfe gerade sein, der ganze Rest ist wirklich sehr okay. Ich halte noch ein paar Augenblicke still und atme tief ein und aus. Anschließend beginne ich mich zu entrollen, ganz langsam, Windung für Windung. Nachdem das geschafft ist, drehe ich mich vorsichtig auf den Rücken. Dabei seufze ich so laut auf, dass die Nachbarn sicher vermuten, ich hätte gerade den Orgasmus meines Lebens. Dann strecke ich die Arme und Beine so weit von mir, dass meine Hände und Füße alle vier Zimmerwände gleichzeitig anstupsen. Dabei stoße ich wieder die Luft aus, und wenn die Nachbarn eben an den Orgasmus meines Lebens geglaubt haben, müssen sie jetzt denken, dass ich endgültig den Lusttod gestorben bin.
    Ich lasse das linke Bein vorsichtig aus der sicheren Deckenhöhle hervorschlüpfen. Es schaut sich um. Nein, keine Gefahr. Es winkt, und sein Freund rechtes Bein folgt ihm nach. Ich setze mich langsam auf. Meine Fußsohlen berühren den weichen Teppichboden. Ich strecke mich noch einmal, und die Nachbarn können anhand des Geräuschs beruhigt feststellen, dass ich erstens noch lebe und zweitens die Orgasmusorgie langsam dem Ende entgegengeht.
    Ich ziehe den Vorhang zur Seite und öffne das Fenster. Die leichten Wind-Streicheleinheiten für mein Gesicht lassen nicht lange auf sich warten. Die Wärme auf meinen geschlossenen Augen fühlt sich genau so an wie das Sonnenorange, das sie durch die Lider sehen, und ich kann am Geruch der Luft erkennen, dass dieser Tag es gut mit mir meint.
    Bad und Spiegel lasse ich links liegen. Ich schlüpfe lieber in meine Ikea-Puschen und sehe zu, dass ich schnell an Kaffee komme. Ob Kai auch Ikea-Puschen hat? Nein, bestimmt nicht. Der doch nicht. Blöder komischer Kauz. Was sollte das gestern? Der hat doch einen an der Waffel.
    Mist. Kann ich es nicht noch ein bisschen rauszögern, an ihn zu denken? Wenigstens bis nach dem Frühstück … Nein, klappt nicht. Entweder ich zwicke mir jetzt eine Wäscheklammer, und zwar eine richtig schön große, alte aus Holz mit starker Stahlfeder, in den Oberarm und konzentriere mich auf den Schmerz, oder ich lasse zu, dass Kai mich beim Frühstück stört. Das Einzige, was gegen die Wäscheklammer spricht, ist, dass ich dafür aufstehen müsste. Das ist allerdings ein sehr gewichtiger Grund.
    Okay, ich war sauer auf ihn. Klar. Ich hatte allen Grund dazu. Und ich habe immer noch allen Grund dazu, oder? … Ah, ich verstehe. Das ist es, warum ich nicht an ihn denken will. Ich habe immer noch allen Grund sauer zu sein, bin aber gar nicht mehr sauer. Ich habe viel zu gute Laune, um sauer zu sein, finde das aber ungerecht, weil ich eigentlich sauer auf ihn sein müsste, und deswegen wollte ich noch nicht an ihn denken, damit er wenigstens noch ein bisschen länger … Was bin ich eigentlich für ein Freak?
    Mal ehrlich, irgendwas Heftiges muss bei ihm gestern Abend passiert sein, das hätte selbst ein Blinder gemerkt. Wenn, dann hätte ich noch eher Grund, wegen

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