Andere tun es doch auch (German Edition)
Bildschirm, wie jeder andere Bürodepp auch. Nur dass man, statt in Word und Excel, in seinem CAD -Programm herumirrt. Aber, auch wenn es so ein bisschen schneller geht, die Schwierigkeiten sind die gleichen. Merkt man, dass eine Tür beim Aufschlagen an eine Toilettenschüssel stößt, ist das auf dem Bildschirm kein bisschen einfacher zu lösen als früher auf dem Papier. Und von diesen Problemchen habe ich hier noch eine ganze Stange voll. Auf einer Serviette funktioniert das Leben immer einfacher.
Jochen wirft mir einen finsteren Blick zu. Ich habe diesen Kampf nicht gewollt. Muss er das wirklich durchziehen? Ich brauche bestimmt noch zwei Stunden, und er hat heute garantiert schon mindestens drei Mal jedes Steinchen der Löwenstein-Baustelle auf seinem Computer umgedreht. Die ganze Zeit liegt mir schon ein »Es ist spät, Jochen. Geh doch nach Hause« auf der Zunge, aber ich kenne ihn. Dann bleibt er erst recht die ganze Nacht, dieser sture Bock.
Nein, besser ich packe einfach zusammen und tue so, als ob ich verschwinde. Dann verstecke ich mich draußen hinter einem Baum, warte, bis er sich auf den Nachhauseweg gemacht hat, und komme wieder zurück. Ja, so mache ich es. Ich gähne, strecke mich, speichere ab und fahre meinen Computer herunter.
»Gut Nacht, Jochen.«
»Hmpfgutenacht.«
Du solltest auch Schluss machen.
Nein, nicht sagen. Je mehr Mitgefühl ich jetzt äußere, umso länger muss ich gleich da draußen hinter meinem Baum warten. Verrückt, aber jeder Mann hat nun mal seinen Stolz. Beim einen ist es die Breite seiner Reifen, beim anderen der Umfang seines Oberarms, und bei Jochen ist es eben sein Meistertitel im Bürodauersitzen. Muss man nicht verstehen, ist einfach so. Irgendwann schreibe ich mal ein revolutionäres Buch über Mitarbeiterführung.
Ich schließe die Tür hinter mir. Eine Minute später kauere ich hinter der großen Kastanie auf der anderen Straßenseite und warte, dass im Büro das Licht ausgeht.
L ARA Was so eine halbe Flasche Sekt ausmacht. Ich bin wieder rallig wie in meinen besten Tagen. Adrian habe ich in kürzester Zeit komplett aus seinem modischen One-Piece-Schlafanzug herausgeschält, und er war auch nicht faul. Den Programmpunkt »unter wilden Küssen hin und her wälzen« haben wir ebenfalls ganz prima hingekriegt. Jetzt müssen wir uns nur noch zur nächsten Station hangeln. Kein Problem … Also, es sollte eigentlich kein Problem sein. Ich frage mich nur, was jetzt schon wieder los ist. Dafür, dass ich ohne T-Shirt auf ihm sitze und genau die Bewegungen mache, die ihn sonst sofort um den Verstand bringen, atmet er mir viel zu langsam. Komm schon! Ich will doch gar nicht viel. Nur ein bisschen Vergiss-den-ganzen-Mist-Sex.
»Alles okay?«
»Hm? Ja klar, alles okay, Butzi.«
»Aber warum schaust du immer nur die Decke an?«
»Oh.«
»Und, um ehrlich zu sein, du guckst dabei wie ein Auto.«
»Elvin hat erzählt, dass er sich einen alten Opel Kadett gekauft hat.«
»Hey!«
»Tschuldigung.«
Er kann nichts dafür. Nein, er kann wirklich nichts dafür. Der arme Kerl ist aufgeregt. Das mit Elvin morgen ist ihm wichtig. Da muss man Verständnis haben … ABER AUSGERECHNET JETZT ?
»Warte mal kurz, Butzi.«
Er hüpft aus dem Bett. Bevor er aus der Tür verschwindet, sehe ich, dass sein Mannesstolz schon wieder deutlich unter die 90-Grad-Marke abgesackt ist. Das darf doch nicht wahr sein! … Okay. Entspannt bleiben. Es liegt nicht an mir, es liegt nicht an mir, es liegt nicht an mir. Ich schenke mir noch einmal Sekt nach und trinke das Glas sehr schnell aus. Dem werde ich es zeigen!
»Hier, schau mal, Butzi.«
»Aha. Ein gehirnförmiger roter Gummiball aus deiner Sammlung. Großartig, Adrian!«
»Wegen dem habe ich mich damals mit Elvin zerstritten. Wir hatten zwei davon. Der andere war blau. Wir hatten sie Ginger und Fred genannt.«
»So.«
»Und Elvin war der Meinung, dass wir sie nie trennen dürfen. Aber als wir die Sammlung aufgeteilt haben, wollte ich unbedingt einen für mich. Schon allein, weil sie immer so freaky rumhüpfen, wenn man sie auf den Boden deppert. Wegen der Gehirnform und so. Aber Elvin hatte recht. Wir hätten Ginger und Fred beieinanderlassen müssen. Elvin hat eigentlich immer recht. Schau mal, der Bierdeckel zum Beispiel. Wo habe ich ihn nur?«
Jetzt reichts! Ohne lange nachzudenken nehme ich Adrian den Gehirngummiball aus der Hand und lege ihn auf meinen Bauchnabel. Dort steigt und sinkt er im Rhythmus meiner Atemzüge
Weitere Kostenlose Bücher