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Anderer Welten Kind (German Edition)

Anderer Welten Kind (German Edition)

Titel: Anderer Welten Kind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ehmer
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dichte Augenbrauen über müde wirkenden, farblosen Augen, deren Blick in einer teilnahmslosen Ruhe auf dem ins Auge gefassten Objekt verweilten, rosige Haut und glatt rasiert.
    „Setz dich, mein Junge.“
    Mit einer Handbewegung lud er Christian ein, auf dem anderen Stuhl Platz zu nehmen. Über den Tisch hielt er ihm seine Hand hin, die fleischig-pratzig Christians schlanke Finger umschloss.
    Dr. Moersfeld hatte sich hinter seinen wuchtigen Schreibtisch gesetzt, die Ellenbogen auf der dunkelgrünen Filzunterlage und das Kinn auf die verschränkten Hände gestützt, ein Beobachter, der abwartend eine ihm zugewiesene Rolle einzunehmen schien.
    „Ich bin Kriminalkommissar Hoesler mit OE und ich habe ein paar Fragen an dich“, begann der Mann. „Du heißt Christian Lorenz, wohnhaft im Claudiusring 24 in Lübeck-Brandenbaum? Dein Vater heißt Fritz Lorenz und deine Mutter Ingeborg? Ist das richtig?“
    „Ja, aber warum?“, wollte Christian wissen, der Mann hob die Hand, schüttelte den Kopf und sagte: „Ich frage, du antwortest.“
    Auf Christians Hilfe suchenden Blick in Richtung Dr. Moersfeld nickte der ganz leicht mit, seine Miene verriet nichts.
    Christian nickte. „Ja“, sagte er.
    „Sollen wir?“, fragte Herr Hoesler, den Kopf dem Direktor zugewandt.
    Dr. Moersfeld schaute auf seine Uhr, überlegte kurz, sah zum Fenster hinaus, sah zu Christian und sagte dann bestimmt: „Wir wollen noch ein paar Minuten warten.“ Er spielte mit einem Kugelschreiber.
    Die Zeit verstrich. Niemand sagte etwas. Einmal langte Herr Hoesler zu seiner braunen, verschlissenen Aktentasche, die ihm zu Füßen stand, hielt aber auf halbem Wege inne und faltete seine Hände über den Bauch. Er saß reglos, blickte auf den Hof und einige Male aus den Augenwinkeln zu Christian, der es nicht wagte, zu fragen oder sich zu bewegen. Er spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach und sich unter den Achseln ausbreitete. Seine Hände begannen zu zittern und er verschränkte die Finger, um sie ruhig zu halten, und klemmte sie schließlich unter den Hintern.
    Gerade als Hoesler sich wieder dem Direktor zuneigte, den Mund schon zum Sprechen geöffnet, um dann Luft schnappend fischmäulig zu verharren, hörten sie ein Geräusch hinter der Tür, die einen Augenblick später einen Spalt geöffnet wurde, und der Kopf der Sekretärin erschien.
    „Frau Lorenz ist jetzt da“, sagte sie.
    Christian zuckte zusammen. Seine Mutter? Hier? Jetzt würde es ganz schlimm kommen, schoss es ihm durch den Kopf.
    Schon beim Betreten des Raumes, als sie das Szenario in sich aufnahm, zögerte sie und ihre Verunsicherung war ihr anzumerken. Alles spiegelte sich wieder, was sich in ihrem Inneren vollzog, als sie beinah im Trippelschritt und mit leicht schräggebeugtem Kopf das Durchqueren des Raums in Angriff nahm: Angst, Unterwürfigkeit, soziale Herkunft, die hier nicht hergehörte, Schüchternheit vor der in Möbeln und Bücherregalen verpackten Macht, erschrockenes Hin- und Herhuschen der Augen zwischen dem Mann und Christian auf der Suche nach einer Entschlüsselung der Situation.
    „Ich verstehe nicht“, sagte sie und blickte noch einmal schnell auf Christian und Herrn Hoesler und ging dann, als wenn sie einen rettenden Hafen ansteuerte, auf den Direktor zu und hielt ihm über den Schreibtisch die Hand hin, sodass sie ihn schon halb erhoben zwischen Sitzen und Stehen erwischte. Ihre Hand haltend, richtete er sich auf, umrundete den Schreibtisch und verbeugte sich leicht vor ihr und sagte: „Danke, Frau Lorenz, dass Sie gekommen sind.“ Dabei zog er sie in Richtung Tischchen. Herr Hoesler hatte sich ebenfalls erhoben.
    „Darf ich vorstellen: Frau Lorenz, Herr Kriminalkommissar Hoesler von der Polizei. Entschuldigen Sie, wenn wir Ihnen Unannehmlichkeiten machen, aber ich habe darauf bestanden, dass Sie bei dem Gespräch dabei sind. Es ist, wie soll ich sagen, etwas delikat.“
    Als Hoesler anheben wollte, fuhr er schnell dazwischen: „Wir wollen uns zuerst einmal setzen, nicht wahr?“ Dabei funkelte er den Kommissar an, Fingerspitzengefühl war hier gefragt.
    Mit langsamen, bedächtigen Bewegungen stellte er zwei weitere Stühle, die unter dem Fenster standen, an den Tisch und, nachdem er ihr aus dem Mantel geholfen und ihn neben der Tür an die Garderobe gehängt hatte, lud er Frau Lorenz mit einer Handbewegung zum Platznehmen ein.
    Nervös strich sich Ingeborg über den Rock und blickte fragend von einem zum anderen. Christian ließ sie aus, als wollte sie

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