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Anderer Welten Kind (German Edition)

Anderer Welten Kind (German Edition)

Titel: Anderer Welten Kind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ehmer
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man nicht so einfach aufgeben. Du hast ja wirklich überhaupt keinen Schimmer, Christian. Hast du mal ein Rennen dort gesehen? Über die Uferstraße, mitten in der Stadt?“
    Dagegen fiel Christian kein Argument ein und er nickte zustimmend über die Vorstellung benzingeschwängerter Luft, aufheulender Motoren und quietschender Reifen mitten auf einer mit Palmen gesäumten Allee direkt am Meer. Das war einleuchtend.
    Der Abend verlief so normal. Christian konnte zwar mit dem Thema nicht viel anfangen, aber es brachte ihn weg von seinen Sorgen und er gab sich der Vorstellung hin, es könnte ab jetzt wieder wie vorher sein. Er sehnte sich so danach. Ein Freund, Gespräche unter Freunden, sicherer Hafen.
    Stefans Erregung war ansteckend, besiegte die aufkeimende Eifersucht auf seinen Freund, weil der sich mit solchen Dingen wie Rennsport beschäftigen konnte, denn dann wurde die Welt einfach. Indem er sich mit Stefan aufregte, gehört er dazu, seine Verunsicherung drängte nach hinten. Die Bewertung Fidels als Schwein einerseits, der über Leichen geht, das Freund-Feind-Schema funktionierte wie eine Grundierung auf einer Leinwand vor dem Auftrag der Farbe, der lachende Fangio andererseits, der die Verachtung für die Rebellen relativierte, war das Spannungsfeld, das Christian vage, unentschieden ließ. Er bewunderte Stefan für seinen Enthusiasmus und seine Eindeutigkeit, woraus er so viel Schwung zog, hätte gern etwas davon gehabt. Er klammerte sich an diese Freundschaft an diesem Abend, als wenn sie seinem Leben eine neue Richtung geben könnte. Aber auch er hatte sich, wie sein Vater, zwischen die Stühle gesetzt, als er seine Suche nach Malskat begonnen hatte.
    Der Stuhl hatte einen dunkelgrünen, fleckigen Polsterbezug, auf dem Christian unruhig hin- und herrutschte und der ihm von der Schulsekretärin, Frau Amselt, einer schrötigen Frau unbestimmten Alters, gewiesen wurde. Aus dem Unterricht in der zweiten Stunde vom Hausmeister geholt und dann mit diesem Blick in die Ecke zum Warten verbannt zu werden, ließen in Christian alle Alarmglocken schrillen. Die Zeit verstrich, aus der gepolsterten Tür zum Zimmer des Direktors drang kein Laut und Christian war beinahe starr vor Angst. Aber er konnte nicht stillsitzen und wagte es nicht, nach dem Grund seiner Anwesenheit zu fragen. Frau Amselt kümmerte sich nicht um ihn, saß sehr aufrecht an ihrer Schreibmaschine hinter der Barriere, die den Raum zweiteilte, an einem typischen Schulschreibtisch, ihm den Rücken halb zugewandt, und tippte etwas, das er nicht einsehen konnte. Endlich fasste er seinen ganzen Mut zusammen und fragte sie, um was es sich handele, dass er hier warte. Sie wisse es nicht, war die kurze Antwort, den Körper in der gleichen Stellung verharrend und den Tippfluss nicht unterbrechend.
    Ein Geräusch hinter der Tür ließ ihn zusammenzucken und einen Moment später wurde die Tür schwungvoll aufgerissen und Dr. Moersfeld, der Direktor des Katharineums, trat in den Rahmen und winkte Christian mit dem Zeigefinger zu sich. Er schaute ernst und neugierig auf den Jungen, eine Augenbraue leicht hochgezogen.
    Bücher in den Regalen, keine Aktenordner oder andere Hinweise, dass es sich um ein Schulbüro handelte, beherrschten die Wände. An der freien Wand im rechten Winkel zu den großen, dreiflügligen Fenstern, die auf den Schulhof an der Königstraße hinausgingen: eine Doppelreihe von Porträts älterer Herrn in Öl in schweren goldenen Rahmen mit schwarzen Anzügen aus schwerem Stoff, manchmal mild, manchmal unerbittlich blickend, Schnurrbärte wechselten mit Vollbärten, Zwicker auf den Nasen unter wässrigen Augen. Dr. Moersfeld hatte schon seinen Platz an der Wand bestimmt, an dem er die Reihe seiner Vorgänger nach seiner Pensionierung zu komplettieren gedachte. Aber bis dahin wären es ja noch ein paar Jährchen, wie er oft zu seiner Sekretärin sagte. Dabei drückte er die Brust durch und wippte auf den Sohlen seiner handgenähten Schuhe, die er aus Italien bezog. Elegant war er, der Herr Direktor, immer chic, leichte Stoffe, gute Figur, kein Bauch, dichte, nach hinten gekämmte Haare, dichter Schnurrbart, exakt getrimmt.
    Der Mann, der auf dem ledergepolsterten Stuhl an dem kleinen Beistelltisch saß, war ungefähr so alt wie Christians Vater, ein großer, beleibter Herr in einem dunkelbraunen Anzug, die dünnen, undefinierbar zwischen braun und grau gewellten Haare, von einem tief über dem Ohr sitzenden Scheitel quer über den Kopf gelegt,

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