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Anderer Welten Kind (German Edition)

Anderer Welten Kind (German Edition)

Titel: Anderer Welten Kind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ehmer
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Lass mich da bloß aus dem Spiel.“ Er schüttelte sich übertrieben und machte Uuahh. Dabei grinste er.
    „Quatsch, ich sagte doch, das war ein Unfall, einfach so passiert. Stefan, hör jetzt auf, mach es nicht noch schlimmer. Mir geht es schon scheiße genug.“
    „Was passiert weiter? Hat der Kommissar wirklich zugesagt, dass das unter euch bleibt? Kann ich mir gar nicht vorstellen, deine Mutter und du, ihr müsst doch das Protokoll unterschreiben. Ist das dann nicht etwas Offizielles?“
    Christian hob hilflos die Schultern. „Ich weiß nicht, er hat es ja versprochen. Vielleicht hat er gesehen, dass da nichts dran war.“
    Beide sagten eine Weile nichts mehr, jeder in seine Gedanken vertieft.
    Christian fing zuerst wieder an.
    „Ich habe Helga beinahe rumgekriegt“, versuchte er das verminte Terrain zu verlassen. „Ob du es glaubst oder nicht, in Helga bin ich immer noch verliebt.“
    Er hatte die körperliche Reaktion von Stefan bemerkt, auch den Ekel auf seinen Gesichtszügen, aber ebenso seine Neugierde über die pikanten Enthüllungen, die sie zweifelsfrei für ihn waren, und er bemühte sich, Stefan zu beruhigen und ihn für sich einzunehmen, wenigstens sich nicht noch weiter in die Homoecke drängen zu lassen. Er brauchte Stefan, das wusste er in dem Augenblick, als der sich nicht vollends von ihm abwendete und seine Empörung dem Kitzel unterlag.
    „Ich vermisse sie. Ich wünschte, wir wären noch zusammen. Weißt du, ich kann es kaum ertragen, wenn sie das auch von mir denkt.“
    Stefan verzog seinen Mund, es passte nicht zusammen. Der Maler und Helga. Helga lieben, es mit dem Maler treiben? Entweder oder, beides ging nicht für ihn. Er liebte zwar Marianne auch nicht, aber auch niemand sonst. Würde er mit Helga zusammen sein, erübrigten sich die Nachmittage mit Marianne von selbst. Daran hatte er keinen Zweifel.
    Er schaute sich im Zimmer um. Die penible Ordnung, das Fehlen jeden persönlichen Ausdrucks, keine Plakate, keine Bilder, zwei papierene Modellflugzeuge von Stukas hingen an Zwirnfäden über den Köpfen, mit Reißzwecken an der Decke befestigt, keine Anziehsachen, die herumlagen, die Aktentasche akkurat unter den Schreibtisch gestellt, die Türen der weißen Schränke, die um das Fenster gebaut waren und die den Schreibtisch einfassten, verschlossen, das Mathebuch im sauberen Winkel zur Fensterbank aufgeschlagen, parallel dazu abgezirkelt ein Holzlineal, ein Bleistift und ein Kugelschreiber, nichts, was auf Christian und sein Innenleben hinwies. Er wurde nicht schlau aus ihm. Kannte er seinen Freund überhaupt?
    Bis heute hätte er es behauptet, immerhin waren sie seit der Geburt zusammen aufgewachsen und befreundet; der hier neben ihm saß, war gleichermaßen vertraut und fremd, Terra incognita, das war neu. Christian, der in ihm immer den Stärkeren und den Beliebteren gesehen und der sich an ihn gehalten und oft genug gehängt hatte, konnte er nicht enttäuschen, er wäre sich schäbig vorgekommen, und so beschloss er, ihm beizustehen. Wie das gehen sollte, wusste er nicht. Dass er zugleich innerlich Distanz einbaute und in Zukunft darauf achten würde, ihm nicht zu nahe zu kommen, man konnte ja nie wissen, war schon ausgemacht, bevor er den Gedanken zu Ende gedacht hatte.
    Vielleicht war seine Reaktion deswegen nicht mit Kreischen oder dummen Sprüchen oder ähnlich pubertärem Getue ausgefallen, weil er sich erwachsen fühlte und in gewisser Weise abgeklärt und erfahren, denn das, was er mit Frau Sänger trieb, eignete sich ebenfalls ganz bestimmt nicht dazu, an die Öffentlichkeit gezerrt zu werden, selbst nicht als Dumme-Jungs-Fantasie oder Prahlerei. Hätte ihm jemand vorher einige der Praktiken beschrieben, die Eingang in sein Liebesleben gefunden hatten, er hätte sie lauthals empört als pervers und eklig zurückgewiesen. Wie naiv er gewesen war und wie wenig Ahnung er doch gehabt hatte! Marianne Sänger, hatte sie sich einmal entschieden, gehörte zu den Frauen, die in ihrer Lust das lebendige, lichterloh brennende Leben herausstöhnten und -wimmerten und genau wussten, wie sie ihren Partner dazu trieben, es ihnen gleichzutun.
    Die Gelegenheit, Christian zu verteidigen, ergab sich schnell. Schon am nächsten Vormittag, nach der Halbzehn-Uhr-Pause, als sie in Paaren oder allein in den Klassenraum tröpfelten, stand an der Tafel kreideweiß auf dunkelgrünem Grund in überdimensionalen Ziffern mit der breiten Seite der Kreide gemalt: 175. Die Sieben hatte einen dicken

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