Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anderer Welten Kind (German Edition)

Anderer Welten Kind (German Edition)

Titel: Anderer Welten Kind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ehmer
Vom Netzwerk:
mit ihnen aufgewachsen war, von der Mutter bei der Hausarbeit geträllert oder von der Schallplatte in beträchtlicher Lautstärke zum Mitsingen ins Wohnzimmer gegossen, wenn Freunde und Bekannte der Eltern zu Besuch waren und alle genug Mariacron intus hatten. Er begann sich von den deutschen Schlagern und vor allem von denjenigen, die sie hörten, zu distanzieren, als der Dixieland, der Jazz auf dem Riverboat und der Rock ’n’ Roll in sein Leben getreten waren, und er legte sich eine Mimik der Missachtung zu, die an Verachtung grenzte, wenn seine Eltern ihre Musik hörten. Das bescherte ihm einige einsame Abende auf seinem Zimmer, die Ohren an den Ofengrill gepresst, der Öffnung in der Wand, die einen direkten Zugang zum zentralen Ofen im Wohnzimmer bildete, denn gleichzeitig fühlte er sich ausgeschlossen.
    Jetzt nickte er zustimmend und von Dülmen erzählte ihm, dass Malskat mit dem Ehepaar befreundet sei. Besonders Christiane Jary habe großes Interesse an seiner Malerei und sie wäre auch im Besitz der Entwürfe für die Heiligenbilder, die hier am Hochchor entstanden seien.
    „Und dort, ganz oben“, und er zeigte auf die Wände in den Obergaden zwischen den Fenstern hoch oben an der Längsseite des Mittelschiffs, „haben sie die gotischen Wandmalereien entdeckt und Malskat hat seine Fantasieentwürfe einfach drübergemalt.“
    Dort wären die Bilder der Heiligen entstanden, ähnlich denen, die Christian schon entdeckt hatte, als er das Gewölbe betrachtete und mit denen er nichts verband.
    Frey, Malskats Chef, fuhr Ricky fort, und Malskat selbst, hätten zuerst aus Versehen und dann später mit Absicht die Originalbilder oder was davon übrig geblieben wäre, abgewaschen oder mit der Kalktünche einfach abgeschlagen. Malskat hätte ihm erzählt, dass alle Bescheid gewusst hätten, besonders die Kirchenleitung. Fendrich, so hieß der Kirchenbaumeister, hätte ihm buchstäblich nahe gelegt zu fälschen, als er ihn aufforderte, die Kirche schön auszumalen. „Wir wollen ein schönes Gesamtbild haben“, hätte er gesagt. So hätte es jedenfalls in den Lübecker Nachrichten gestanden, die über den Prozess berichteten. Die Vorlagen für die Gesichter hätte Malskat bei seinen Freunden oder bei Schauspielerinnen gefunden. Seine Frau hätte er auch verewigen wollen. Nur Frau Dr. Kolbe hätte die Augen des heiligen Michaels bemängelt, aber da sie zwar Sachverstand hätte, aber keine Sachverständige gewesen wäre, hätte sich niemand um ihre Meinung gekümmert.
    Bei diesem Vortrag schaute Christian angestrengt nach oben, konnte aber wiederum außer schmutzig-grauen Wänden nichts entdecken. So sehr er auch suchte, es war kein einziger Farbfleck auszumachen.
    „Sie haben alles wieder abgewaschen, sogar einige der echten Bilder, wie die dort.“
    Ricky zeigte auf die mannsgroßen Heiligen weiter hinten.
    „Oder sie haben einfach die Tünche stehen lassen. Vielleicht gibt es dort oben noch Heilige, wer weiß, und sie schlummern hinter dicken Kalkschichten.“
    „Wenn Malskat nicht so eitel gewesen wäre!“, fuhr Ricky fort und strich sich mit der rechten Hand über die Haarwelle. „Niemand hätte es bemerkt.“
    „Und wir hätten noch die Briefmarke“, sagte Christian, der die Marke bei Stefans Vater in dem Briefmarkenalbum gesehen hatte und zumindest so viel von der Geschichte der Sondermarke mitbekommen hatte, dass sie mit der 700-Jahrfeier der Marienkirche und der Entdeckung der Fresken im Zusammenhang stand.
    Von Dülmen schaute ihn überrascht an.
    „Dann weißt du ja auch alles über die Heiligen und ich kann mir meine Erklärungen sparen.“
    Christian fühlte sich wie in der Schule, als wenn er für eine vorlaute Antwort gemaßregelt worden wäre, und er reagierte instinktiv, als er sofort versuchte, sie zu relativieren.
    „Gar nicht, eigentlich weiß ich gar nichts über die Fälschungen, die Marke, ja, aber die kennt doch jeder.“
    Er verhedderte sich und wurde rot.
    „Ach so, jeder“, sagte von Dülmen, „warte mal, 1951, da warst du vielleicht zehn, elf Jahre, ja, das könnte hinkommen, und daran erinnerst du dich.“
    Er fragte nicht, sondern stellte fest und Christian beeilte sich ihm zu versichern, dass er die Marke erst neulich angeschaut hätte, als er bereits zum Moor gegangen sei.
    In ihm regte sich langsam ein Trotz gegen von Dülmen, der ihn augenscheinlich nicht für voll nehmen wollte und es ihm ständig zeigte. Außerdem interessierten ihn die Heiligenbilder überhaupt

Weitere Kostenlose Bücher