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Anderer Welten Kind (German Edition)

Anderer Welten Kind (German Edition)

Titel: Anderer Welten Kind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ehmer
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Justizangestellte verrieten sie an Journalisten. Die Welt war empört, oder besser die mediale Welt der Zeitungen, des Rundfunks, des aufkommenden Fernsehens und vor allem der Wochenschauen in den Kinos kreierten eine Empörung, die das Publikum aufsaugte und sich zu eigen machte, und mit ihr die katholische Kirche, die die Scheidung nicht sanktioniert hatte. Der italienische Staat war schlau und salomonisch. Das Paar könne in Italien wohnen, solange der Regierung keine offizielle Information über die Eheschließung vorläge. Die mexikanische Regierung hatte Besseres zu tun.
    Über den Artikel, der ihn amüsierte und fesselte, vergaß Richard, die Tür im Auge zu behalten, und ihm entging, wie Christian dort auftauchte, ihn sogleich entdeckte und sich sofort wieder zurückzog.
    Richard dachte, sich so über einen Skandal hinwegzusetzen, zeugt von Grandezza. So vollkommen unbeeindruckt von der öffentlichen Meinung zu sein, war nicht nur eine Frage des Geldes und des automatisch daraus erwachsenen Einflusses, sondern entsprang einer Haltung zu der Welt, einem großen Leck-mich. Das gefiel ihm und er hätte gern ein bisschen von dieser Souveränität abgefärbt bekommen. Stattdessen übte er sich im Verstecken und Verstellen und die Angst war sein ständiger Begleiter.
    Wullenvewer stand plötzlich vor ihm. Seine kleine, gebrechliche Gestalt umschlotterte ein schmuddliger, dunkelgrauer Zweireiher. Die weiße, pergamentene Gesichtshaut schuppte, das graue Kinn war schlecht rasiert und am faltigen Hals standen Büschel wie Widerborsten. Durch das schüttere, zurückgekämmte Haar mit den grauen Strähnen schimmerten wässrige Flecken einer Schuppenflechte; ein Strich zeichnete den Mund. Die hohlen Wangen hoben die Backenknochen hervor, die Nase stak schmal und gerade aus dem Gesicht hervor. Die langgliedrigen Hände endeten in langen, ungepflegten Fingernägeln, Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand waren nikotinbraun gefärbt. Unter der fast durchsichtigen Haut der Handrücken zeichneten sich die bläulichen Linien der Adern ab, braune Altersflecken bildeten kleine Inseln. Eine Selbstgedrehte glomm im rechten Mundwinkel, sodass der aufsteigende Rauch die Augen zusammenkneifen ließ. In der linken Hand hielt er einen Hut.
    „Tag, Ricky“, sagte er und schob sich auf den freien Stuhl.
    Richard von Dülmens Gesicht vollzog eine Verwandlung. Es strahlte und überzog sich mit dem Ausdruck warmer Zuneigung.
    „Tag, Wullenwever“, antwortete er, „habe gar nicht mehr mit dir gerechnet.“
    „Ich wusste auch nicht, ob ich es schaffe. Ich bleibe auch nicht lange.“
    Beide Männer schwiegen eine Weile. Wullenwever schaute aus wässrig blauen Augen vollkommen entspannt von Dülmen an. Er würde nicht beginnen, er hätte auch wieder gehen können ohne das Gefühl einer Erwartung oder Enttäuschung. Die beiden waren sich nahe, das spürten sie und es kam in den schweigenden Momenten keine Unruhe auf.
    „Ich bin mit dem Bild fertig“, sagte von Dülmen. „Soll ich es zu dir bringen oder direkt abliefern?“
    „Kannst du es noch heute Abend vorbeibringen? Der Kunde kommt morgen gegen Mittag.“
    „Ich weiß nicht, es ist ein wenig, na, sagen wir, heikel.“ Von Dülmen zögerte.
    Sie sprachen leise miteinander, ohne zu flüstern, und Wullenwevers Stimme klang beinahe tonlos.
    „Ich habe es in Packpapier eingewickelt. Es ist aber nichts drübergemalt.“
    Wullenwever zuckte mit den Schultern.
    „Und wenn schon“, sagte er, „es bleibt ja nur eine Nacht im Laden. Also, gegen acht? Und klopf bitte, ich mag keine Überraschungen.“
    Der Kellnerin winkte er ab und deutete ihr an, dass er nichts wünschte, da er nur noch einen kurzen Augenblick bliebe.
    „Aber grundsätzlich habe ich es schon lieber, wenn es harmlos ist“, sagte er, als er sich erhob, sich von von Dülmen mit einem kurzen Nicken verabschiedete und zum Ausgang schlurfte, wo Christian ihm den Vortritt ließ. Als er sich umdrehte, sah er Christian an Richards Tisch treten und ein kleines Lächeln umspielte seinen Mund, das auch noch anhielt, als er das Antiquitätengeschäft aufschloss.
    Christian stand unschlüssig vor dem Tisch und wusste nicht, wohin mit seinen Händen.
    „Setz dich“, forderte von Dülmen ihn auf und hängte die Zeitung wieder an ihren Platz an der Wand. „Willst du auch ein Eis? Ich lade dich ein. Oder rauchst du lieber?“
    Er hielt ihm eine Packung Senoussi Nr. 14 hin. Rauchen in der Öffentlichkeit? Christian traute sich

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